Dollar am Morgen Märkte

Hinkende Vergleiche

am
30. April 2019

 

EUR USD (1,1185)             Obwohl die meisten Händler davon ausgehen, dass sich an der abwartenden Haltung der Fed bei ihrer Morgen endenden Sitzung in Sachen Leitzinsen nichts ändern wird, hört man es hinter den Kulissen rumoren. Denn seit die US-Wachstumszahlen am vergangenen Freitag veröffentlicht wurden, scheint sich das große Bild in Sachen Wachstum und Inflation unübersichtlicher zu gestalten. Zum einen, weil die Inflation – und darauf achten die Mitglieder des Offenmarktausschusses der Notenbank derzeit ganz besonders – keine Fahrt aufnehmen will. Daran haben auch die gestern für Februar und März publizierten Daten zur Entwicklung des Index der persönlichen Konsumausgaben (PCE) nicht viel geändert. Dass diese deutlich hinter dem Inflationsziel von zwei Prozent liegen würden, ist bereits seit der Schnellschätzung des Handelsministeriums vom vergangenen Freitag klar. Und was das Wachstum angeht, so hat dieses sogar die Erwartungen der Optimisten übertroffen. Anders ausgedrückt: Der Wachstums-Pessimismus, wie er noch zu Anfang des Jahres vorgeherrscht und bei vielen Akteuren in eine mentale Abwärtsspirale gemündet hatte, war wohl überzogen. Ein Pessimismus, der etwa an den Aktienmärkten vielfach zu Zurückhaltung der Investoren geführt hatte, die seinerzeit vorsichtig blieben und nun verspätet und zu hohen Kursen noch einsteigen müssen.

          Zwar gibt es Stimmen, die davor warnen, dass eine voreilige Leitzinssenkung der US-Notenbank letztlich zu einer Blase an den Aktienmärkten führen könnte. Aber diese Bedenken scheint man innerhalb der Fed kaum zu teilen. Zumindest ist der Offenmarktausschuss offenbar in der Frage, wie es weitergehen soll, gespalten. Zumal auch noch politischer Druck von US-Präsident Donald Trump ausgeübt wird, dem die derzeitigen Zinsen immer noch zu hoch zu sein scheinen.

          Dass, basierend auf Terminkontrakten, die Wahrscheinlichkeit von mindestens einer Leitzinssenkung in diesem Jahr bei über 60 Prozent gesehen wird (vgl. CME FedWatch Tool), ist jedoch nicht nur dem Versuch der politischen Einflussnahme Trumps zuzuschreiben. Denn der stellvertretende Fed-Präsident Richard Clarida machte erst unlängst in einem Interview deutlich, dass man doch auch in den Jahren 1995 und 1998 vorsorglich, sozusagen als Versicherung gegen eine drohende Wachstumsschwäche, die Zinsen gesenkt habe, obwohl damals [wie zurzeit] keine Rezession drohte. Ein Blick in die Annalen zeigt indes, dass zwei Zinssenkungen der US-Notenbank im Jahre 1995 durchaus als Konsequenz auf die ersten beiden wachstumstechnisch enttäuschend ausgefallenen Quartale (die Wachstumsraten lagen damals in Q1 und Q2 bei annualisiert 1,4 bzw. 1,2 Prozent) gesehen werden können und keineswegs nur als Vorsichtsmaßnahme. Und was 1998 angeht, war doch ein Hauptgrund für die Zinssenkungen die Schieflage des Hedgefonds LTCM (Long-Term Capital Management), als der Notenbank überhaupt (ausgehend von 5,5 Prozent!) nichts anderes übrigblieb, als die Zinsen umgehend zu senken. Denn alles andere als eine direkte Intervention hätte damals womöglich zu einem Zusammenbruch des Finanzsystems geführt. Insofern hinkt Claridas Vergleich, macht aber zumindest deutlich, dass die „Munition“ der Notenbank heutzutage im Falle einer Krisensituation heutzutage begrenzt und nur bei einer lediglich politisch motivierten vorschnellen Zinssenkung noch geringer wäre.

          Die Situation des Euro hat sich unterdessen wenig geändert. Nach wie vor befindet er sich in einem langsamen kurzfristigen Abwärtstrend (Obergrenze nunmehr 1,1290) mit Potenzial bis zunächst 1,1055/60. Allerdings hat sich das ohnehin niedrige Momentum des Trends gestern noch einmal verringert.

 

Hinweis

Alle genannten Preisniveaus verlieren ab einer bestimmten Durchstoßgröße Ihre Gültigkeit. Diese beträgt für EUR/USD 10 Stellen.

Wegen des Maifeiertages erscheint die nächste Ausgabe von „Dollar am Morgen“ erst am Donnerstag.

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Joachim Goldberg
Frankfurt am Main

Seit rund 40 Jahren beschäftigt sich Joachim Goldberg mit dem Zusammenspiel von Menschen und Märkten. Bis heute faszinieren ihn die vielen Facetten, Nuancen, Geschichten, Analysen und Hintergründe, die sich in der weißgezackten Linie auf der großen Börsenkurstafel niederschlagen. Aber erst mit der Entdeckung der psychologischen Einflüsse auf die Finanzmärkte meint der studierte Bankfachwirt und frühere Devisenhändler dem, was die Welt der Finanzen antreibt und bewegt, nahe gekommen zu sein.

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