Dollar am Morgen Märkte

Überraschend rational

am
17. September 2019

EUR USD (1,1010)             12 Dollar innerhalb von Sekunden: Zur gestrigen Eröffnung machte der Preis der Öl-Sorte Brent einen Riesensprung gegenüber dem US-Dollar ­– den größten übrigens seit Einführung der Londoner Öl-Futures im Jahre 1988. Und zum Ende der Handelssitzung blieb von diesem temporären Kurssprung von mehr als 19 Prozent noch ein Plus von rund 14 Prozentpunkten übrig. Die Ursache ist bekannt: Der Angriff auf die saudi-arabischen Ölanlagen, der die Ölproduktion des Landes etwa um die Hälfte vernichtete. Für die Rohölmärkte war dies gleichbedeutend mit der schlimmstmöglichen, plötzlichen und einmaligen Unterbrechung des Ölflusses, die es je gegeben hat. Unabhängig davon, wie lange es nun dauern wird, bis die saudi-arabische Ölproduktion wieder vollumfänglich ins Laufen kommt, hat der Drohnenangriff vom vergangenen Samstag gezeigt, wie verwundbar die dortige Infrastruktur gegenüber Angriffen tatsächlich ist.

 

Wenig Bewegung in „sichere Häfen“

Umso bemerkenswerter ist die Reaktion der Finanzmärkte auf den Drohnenangriff. Denn die typische Fluchtbewegung in die sogenannten sicheren Häfen hielt sich trotz der völlig unübersichtlichen Lage in Saudi-Arabien in Grenzen. Ganz zu schweigen davon, dass noch unklar ist, wie die USA letztlich auf den Drohnenangriff reagieren werden. Gold hat sich allenfalls gegenüber dem Euro deutlich befestigt, aber auch nur wegen dessen schwächerem Wechselkurs gegenüber dem Greenback. Auch die typischen Fluchtwährungen Schweizer Franken und Yen profitierten gegenüber der Gemeinschaftswährung nur geringfügig. Bemerkenswert auch, dass die Aktienmärkte dies- und jenseits des Atlantiks nur mit relativ geringen Kursrückgängen, unterhalb der Ein-Prozent-Grenze, aufwarteten.

 

Die ruhige Hand der Anleger oder selektives Entscheiden?

Die Anleger seien erfreulicherweise nicht in Panik verfallen, so ein hiesiger Ölexperte, sondern hätten „vernunftgeleitet“ reagiert. Vielleicht haben die Aktienkurse aber auch deswegen nur so überschaubar reagiert, weil ein großer Teil der mittelfristig orientierten Investoren (vgl. etwa das DAX-Sentiment der Börse Frankfurt HIER vom vergangenen Mittwoch) gar nicht auf der Bullenseite des Marktes engagiert war. Ob die Anleger genauso besonnen reagiert hätten, wenn sie bereits hohe Kursgewinne auf der Uhr gehabt hätten? Dann wäre es höchstwahrscheinlich zu deutlicheren Kursverlusten gekommen, denn angesichts der Nachrichtenlage wären Gewinnmitnahmen folgerichtig und verständlicherweise angezeigt gewesen[1]. Die bislang praktisch ausgebliebene Reaktion der Aktienkurse besagt auf jeden Fall eines: Entweder fehlen die Gewinne (die gesichert werden müssten) oder die richtigen Positionen.

Diese sich im Rahmen bewegenden Reaktionen gab es auch an den US-Anleihemärkten, wo sich die Renditen nur geringfügig zurückbildeten. Indes: Bewegung gab es bei den Fed Funds Futures. Denn die implizite Wahrscheinlichkeit für eine Leitzinssenkung der Fed zum Abschluss der Sitzung des Offenmarktausschusses am morgigen Mittwoch in Höhe von 25 Basispunkten betrug gestern nur noch 64 Prozent (vor einer Woche noch 95 Prozent!); eine 35-prozentige Wahrscheinlichkeit wurde sogar dafür berechnet, dass die US-Notenbank untätig bleiben könnte.

Der einzige offensichtliche Leidtragende war gestern der Euro, der im Verhältnis zum US-Dollar zum europäischen Handelsschluss den größten Tagesverlust seit mehr als einem halben Jahr hinnehmen musste. Allerdings befindet sich die Gemeinschaftswährung ohnehin zwischen 1,1115 und 1,0865/70 in einem kurzfristigen Abwärtstrend, der gestern wie angekündigt wieder stärkeres Momentum aufgenommen hat. Tatsächlich muss die Erholung des Euro vom vergangenen Donnerstag und Freitag im größeren Kontext als Fehlentwicklung („false break“ an der Oberseite) verbucht werden, so dass das Risiko auch in Hinblick auf die US-Notenbanksitzung nunmehr wieder nach unten weist.

 

[1] Man spricht in diesem Zusammenhang auch von selekitvem Entscheiden

Hinweis

Alle genannten Preisniveaus verlieren ab einer bestimmten Durchstoßgröße ihre Gültigkeit. Diese beträgt für EUR/USD 10 Stellen.

 

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Joachim Goldberg
Frankfurt am Main

Seit rund 40 Jahren beschäftigt sich Joachim Goldberg mit dem Zusammenspiel von Menschen und Märkten. Bis heute faszinieren ihn die vielen Facetten, Nuancen, Geschichten, Analysen und Hintergründe, die sich in der weißgezackten Linie auf der großen Börsenkurstafel niederschlagen. Aber erst mit der Entdeckung der psychologischen Einflüsse auf die Finanzmärkte meint der studierte Bankfachwirt und frühere Devisenhändler dem, was die Welt der Finanzen antreibt und bewegt, nahe gekommen zu sein.

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