Märkte Wirtschaft

Teures Unterfangen

am
16. Januar 2015

Nun hat die Schweizerische Nationalbank (SNB) tatsächlich die Interventionsgrenze des Franken im Verhältnis zum Euro von 1,20 CHF aufgegeben. Naturgemäß haben die Märkte darauf mit einem Schock reagiert. Gleichwohl spielt es für mich eine eher untergeordnete Rolle, auf welchem Niveau sich der Wechselkurs des Franken in den kommenden Tagen etablieren wird. Immerhin ist es der SNB gelungen, seit Herbst 2011 den von ihr gewünschten Wechselkurs standhaft zu verteidigen – damals und zuletzt im Dezember 2014 hatte die Nationalbank immer wieder betont, sie werde ausländische Valuten (notfalls in unbegrenzter Höhe) kaufen, um dieses Ziel zu erreichen. Damals sprach ich von einem schweren Sündenfall (vgl. HIER), zumal sich seinerzeit keine andere Zentralbank finden wollte, die die SNB in ihrem Vorhaben unterstützte. Psychologisch gesehen war dies ein riesiges eskalierendes Commitment, das über die Jahre mit einer massiven Erhöhung der Währungsreserven einherging. Diese erfahren nun mit der gestrigen Entscheidung der SNB eine kräftige Abwertung, die sie Milliarden Franken kosten wird.

Auf den ersten Blick dürfte sich die SNB mit der Aufgabe der Interventionsgrenze einen massiven psychologischen Vertrauensverlust eingehandelt haben. So stellte sich mancher Händler in einer ersten Reaktion die Frage, ob denn die Zentralbank völlig die Kontrolle über das Marktgeschehen verloren habe, wenn sie so heftig reagiere. Wie stünde es in einer vergleichbaren Situation um das Versprechen der Europäischen Zentralbank, für die Stützung des Euro alles Erdenkliche zu tun? – Ein Gedanke, der in diesem Augenblick so manchem Devisenhändler durch den Kopf gegangen sein mag.

 

Die Kapitulation

Bei genauerem Hinsehen kann man sich natürlich auch darüber streiten, ob angesichts eines bevorstehenden quantitativen Lockerungsprogramms der EZB, das mit ziemlich großer Wahrscheinlichkeit den Euro weiter geschwächt hätte, ein stures Festhalten am 1,20er Interventionskurs tatsächlich sinnvoll gewesen wäre. Wenn mancher Kommentator nun von einer Kapitulation der SNB spricht, hat er natürlich Recht, denn mit der Aufgabe des Interventionskurses entstehen nach dem Anstieg der Währungsreserven auf zuletzt (Oktober 2014) mehr als 500 Milliarden Franken mit einem Schlage riesige (Buch)verluste. Zur Erinnerung: Jene Reserven betrugen im August 2011, also kurz vor Einführung der Euro-Untergrenze zum Franken, noch 253 Milliarden Schweizer Franken. Kritiker sollten allerdings auch nicht vergessen, dass der Wechselkurs des Franken seinerzeit, bevor eine möglichen Bindung der Schweizerischen Währung an den Euro angekündigt wurde, schon einmal aufgrund der damaligen massiven Kapitalzuflüsse in die Schweiz ein Niveau von zutiefst 1,0070 CHF pro Euro erreicht hatte. Ein Kurs, der gestern – allerdings nur kurzzeitig – in einer ersten Panik deutlich unterschritten wurde.

Es ist müßig, darüber zu debattieren, ob eine andere Strategie der SNB – etwa verdeckte Interventionen im freien Markt – besser gewesen wäre oder weniger Geld gekostet hätte. Wie auch bei anderen Ereignissen in der Geschichte der Devisenmärkte hat sich erneut gezeigt, dass sich keine Zentralbank der Welt (vgl. etwa die Bank von Japan oder die Bank von England) langfristig erfolgreich gegen große Kapitalflüsse stemmen kann. Dass dies der SNB – ungeachtet aller Nachteile, die nun für die Notenbank und Schweizerische Wirtschaft entstehen – über mehr als drei Jahre hinweg gelungen ist, bleibt für mich als ehemaligem Devisenhändler dennoch bemerkenswert.

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Joachim Goldberg
Frankfurt am Main

Seit rund 40 Jahren beschäftigt sich Joachim Goldberg mit dem Zusammenspiel von Menschen und Märkten. Bis heute faszinieren ihn die vielen Facetten, Nuancen, Geschichten, Analysen und Hintergründe, die sich in der weißgezackten Linie auf der großen Börsenkurstafel niederschlagen. Aber erst mit der Entdeckung der psychologischen Einflüsse auf die Finanzmärkte meint der studierte Bankfachwirt und frühere Devisenhändler dem, was die Welt der Finanzen antreibt und bewegt, nahe gekommen zu sein.

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