Investmententscheidungen Märkte

Die Kraft von Vorhersagen

am
14. Januar 2015

Prognosen seien schwierig, insbesondere, wenn sie die Zukunft beträfen, das wusste schon Mark Twain. Denn ihm wird dieses wunderbare Bonmot zugeschrieben. Dennoch sind treffsichere Vorhersagen – gerade wenn es um Geld geht – sehr gesucht. Und so wundert es nicht, wenn Finanzmarktexperten Prognoseirrtümer nicht gerne zugeben möchten. Viel häufiger werden indes Vorhersagen, die sich als falsch herausstellen, nicht zurückgenommen, sondern vorzugsweise peu à peu an die tatsächliche Marktentwicklung angepasst, als ob nichts geschehen sei und man immer schon gewusst habe, wohin der Kursverlauf strebt. Die Leidtragenden sind dann diejenigen, die sich auf solche Analysen verlassen haben, Sie müssen dann zusehen, wie sie mit diesen „Anpassungen“ zurechtkommen. Und oft geht ihre Anpassung an die Realität mit monetären Verlusten einher.

Deswegen erstaunte mich unlängst die Geschichte eines bekannten Analysten, von der mir mein ehemaliger Mitstreiter Herman Brodie berichtete. Denn der Experte – und das ist für diese Branche unüblich – gab unumwunden zu, dass er sich bezüglich der Entwicklung des Ölpreises geirrt habe: Der Fachmann hatte offenbar vor längerer Zeit vollmundig verkündet, der Preis für Rohöl würde, zumindest solange er auf der Welt sei, nicht mehr unter 50 Dollar pro Barrel fallen. In der Tat eine taktisch nicht ganz ungefährliche Prognose, denn auch Experten in Sachen Zukunft leben heutzutage manchmal länger, als sie es selbst für möglich halten. Mit anderen Worten: Der Analyst wäre gut beraten gewesen, die Gültigkeit seiner Prognose zeitlich zu begrenzen.

Aber nicht nur auf der zeitlichen Ebene überschätzen sich Prognostiker recht häufig. Gerade wenn es um Bandbreiten von Vorhersagen geht, stellt sich immer wieder heraus, dass die Experten diese Prognosebänder – oftmals auf Grund eines überzogenen Vertrauens (overconfidence) in die eigene Treffsicherheit – häufig viel zu eng fassen. Kritisch wird es, wenn auf Basis dieser Vorhersagen wichtige Entscheidungen getroffen werden. Zum Beispiel im EZB-Rat.

So wies mich mein Ex-Kollege unlängst darauf hin, dass die Inflationsprognosen des Beraterstabs innerhalb der Europäischen Zentralbank seit langem permanent zu hoch ausfielen. So war etwa der harmonisierte Verbraucherpreisindex (HICP) der EU für Dezember 2014 zwei Jahre zuvor mit einer Bandbreite zwischen 0,6 und 2,2 Prozent prognostiziert worden. Der tatsächliche Wert fiel dann mit -0,2 Prozent deutlich aus diesem Rahmen. Natürlich kann man sich irren, aber es hat uns dann doch überrascht, dass die jüngste Zwei-Jahresvorhersage nun sogar mit einem noch engeren Band von 0,6 bis 2,0 Prozent angegeben wurde. Ganz davon abgesehen, dass negative Preis-Veränderungen die Vorstellungskraft der Experten offenbar übersteigen.

Was die Vorstellungskraft der institutionellen Anleger hinsichtlich der DAX-Entwicklung angeht, habe ich die jüngsten Ergebnisse der Stimmungsumfrage der Börse Frankfurt HIER kommentiert.

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Joachim Goldberg
Frankfurt am Main

Seit rund 40 Jahren beschäftigt sich Joachim Goldberg mit dem Zusammenspiel von Menschen und Märkten. Bis heute faszinieren ihn die vielen Facetten, Nuancen, Geschichten, Analysen und Hintergründe, die sich in der weißgezackten Linie auf der großen Börsenkurstafel niederschlagen. Aber erst mit der Entdeckung der psychologischen Einflüsse auf die Finanzmärkte meint der studierte Bankfachwirt und frühere Devisenhändler dem, was die Welt der Finanzen antreibt und bewegt, nahe gekommen zu sein.

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