Behavioral Living

Teure Düfte

am
1. Februar 2012

Zugegeben: Ich habe eine Schwäche für orientalisch anmutende Parfums. Vor allen Dingen, wenn sie noch manuell hergestellt werden, können sie ziemlich kostspielig sein. Als ich aber kürzlich im Internet stöberte und über eine Google-Anzeige zu easyCOSMETIC geführt wurde, sah ich, dass mein Objekt der Begierde im Vergleich zum Fachhandel mit einem Preisnachlass von 18 Prozent angeboten wurde! Ja, selbst gegenüber dem zweitgünstigsten Inserenten im Internet war der Preis immer noch um fast neun Prozent günstiger. Was nicht ganz stimmt, denn easyCOSMETIC erhebt eine Versandgebühr von drei Euro – der Mitbewerber versendet hingegen kostenlos. Nachdem ich mehrere Tage mit mir gerungen hatte, ob ich mir diesen Luxus wirklich gönnen sollte, gab ich mir schließlich einen Ruck und bestellte.

Dann aber kam es doch anders. Denn als ich meine Order per Kreditkarte ausführen wollte, öffnete sich ein Fenster, in welchem mir angekündigt wurde, dass eine Transaktionsgebühr von 3 Prozent des Kaufpreises anfallen würde. Das seien die Gebühren, mit denen das Kreditkarteninstitut den Parfum-Shop belasten würde und die man – mir lag schon ein „leider“ auf der Zunge – daher auch von den Kunden einziehen müsse. Da kam ich mir schon vor wie bei der Lufthansa, denn auch diese erhebt neuerdings beim Ticketkauf per Kreditkartenzahlung eine saftige Transaktionsgebühr. So weit, so ungut. Denn die Alternativen, die easyCOSMETIC anbietet, sind ebenfalls kostspielig. So wird im Falle einer Zahlung per Paypal eine zusätzliche („Weiter“)-Belastung von drei Prozent des Kaufpreises fällig. Ach, Sie denken jetzt an eine Bestellung per Nachnahme? Auch das kostet einiges, nämlich sechs Euro (wobei DHL angeblich bei Nachnahme „nicht beeinflussbare“ zwei Euro Übermittlungsentgelt von den sechs Euro kassiert). Billiger wird es nur bei „Sofortüberweisung“, für die der Kosmetikversender lediglich 1,5 Prozent auf den Einkauf draufschlägt, sprich: weiterberechnet. Wagen Sie es aber ja nicht, per Rechnung zu bezahlen! Denn in diesem Falle sähe sich das Unternehmen gezwungen, sechs Prozent des Kaufpreises als Transaktionsgebühr zu berechnen. Gott sei Dank, gibt es noch die Möglichkeit der Vorkasse, für die der willige Kaufinteressent keine Gebühren berappen muss, dafür aber natürlich (das haben wir aus der Lehman-Pleite gelernt) ein Kontrahentenrisiko eingeht, das easyCOSMETIC leider nicht honoriert.

„Bist du nun ein homo oeconomicus oder nicht?“, fragte mich mein Kompagnon gespannt, als ich ihm den Sachverhalt schilderte. Ich rechnete alles zusammen und fand heraus, dass easyCOSMETIC gegenüber dem zweitgünstigsten Konkurrenten immer noch einen rechnerischen Vorteil bot. Ja, ein homo oeconomicus hätte ohne großes Murren gekauft. Aber leider bin ich nur ein Mensch aus Fleisch und Blut und hatte im Geiste drei mentale Verlustkonten eröffnet: der Preis des Parfums, die Versandkosten und die Transaktionskosten. Drei einzelne Verluste, die psychisch in der Summe schwerer wogen als der eine Verlust (= der höhere Preis)  des teureren Produkts der Konkurrenz. Mir jedenfalls hat der edle Duft mittlerweile ziemlich gestunken.

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4 Kommentare
  1. Antworten

    D. Huchzermeie

    2. Februar 2012

    Versuchen Sie es doch mal mit parfumdreams.de

    • Antworten

      Joachim Goldberg

      2. Februar 2012

      Ja, doch! Das war der Mitbewerber, den ich in meinem Blog als zweitgünstigsten Anbieter bezeichnet hatte 😉

  2. Antworten

    C. Poredda

    6. Februar 2012

    Wenn easycosmetic.de trotz der Gebühren (die bei allen anderen ja sicherlich direkt in den Preisen versteckt sind), günstiger ist als der nächste …. wo ist Dein Problem? Dass wir als Endkunden die Gebühren letztendlich bezahlen müssen, ist doch – mit etwas betriebswirtschaftlichem Grundverständnis – logisch. Dann ist es mir lieber, mir wird das transparent dargestellt. Sonst geh doch gleich zu Douglas – da zahlst Du keine Versandkosten und Transaktionsgebühren…

    • Antworten

      Joachim Goldberg

      6. Februar 2012

      Rein betriebswirtschaftlich gesehen (also ohne psychische Einflußfaktoren) haben Sie vollkommen Recht. Aber eine Transparenz, die sich mir erst NACH dem Füllen des Warenkorbes erschließt, ist keine Transparenz. Auf Google werden die Transaktionskosten bei der Suche nach dem günstigsten Versender nämlich nicht angezeigt! Und da ein solcher nachgereichter Verlust als Extra-Verlust von den meisten Menschen wahrgenommen wird, kann es durchaus vorkommen, dass der Kaufpreis + Extra-Verlust in der Summe von Kaufinteressenten stärker bewertet werden als der Preis des zweitgünstigsten Konkurrenten.

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Joachim Goldberg
Frankfurt am Main

Seit rund 40 Jahren beschäftigt sich Joachim Goldberg mit dem Zusammenspiel von Menschen und Märkten. Bis heute faszinieren ihn die vielen Facetten, Nuancen, Geschichten, Analysen und Hintergründe, die sich in der weißgezackten Linie auf der großen Börsenkurstafel niederschlagen. Aber erst mit der Entdeckung der psychologischen Einflüsse auf die Finanzmärkte meint der studierte Bankfachwirt und frühere Devisenhändler dem, was die Welt der Finanzen antreibt und bewegt, nahe gekommen zu sein.

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