Behavioral Living

Sparbrötchen

am
15. November 2011

Zugegeben, während meiner Geschäftsreisen übernachte ich gerne in guten Hotels. Wenn man große Teile des Jahres unterwegs ist, weiß man die Annehmlichkeiten des gehobenen Komforts und einen gewissen Grad an Luxus zu schätzen. In Düsseldorf steige ich daher gerne in einem erst vor drei Jahren eröffneten, ausgezeichneten Hotel ab, zumal die Übernachtungspreise dort, zumindest außerhalb der Messezeit, im Vergleich zu anderen Fünf-Sterne-Häusern eher moderat ausfallen. Und so buchte ich unlängst eine Übernachtung inklusive kontinentalem Frühstück für 216 Euro. Im Preis inbegriffen waren alle alkoholfreien Getränke aus der Minibar sowie ein kleiner Obstteller zur Begrüßung bei der Ankunft. Selbst für den W-Lan-Anschluss wurden keine Extra-Gebühren berechnet, wie es in etlichen anderen Häusern dieser Preisklasse üblich ist.

Am nächsten Morgen betrat ich den Frühstücksraum. Gleich neben dem Eingang war ein prächtiges Buffet aufgebaut, mit Lachs und Krabbensalat, Roastbeef und Trüffelsalami, so dass mir regelrecht das Wasser im Munde zusammenlief. Voller Vorfreude auf ein ausgiebiges und wohlschmeckendes Frühstück nahm ich Platz. Der Kellner ließ nicht lange auf sich warten. „Darf es etwas Kaffee sein? Vielleicht auch ein Glas Orangensaft?“ – Ich nickte. Nach kurzer Zeit kam der junge Mann zurück und platzierte direkt vor meinen Augen eine Etagère, deren unterste Ebene mit allerlei Marmeladengläschen gefüllt war. Ein Stockwerk höher waren hauchdünn geschnittene, matte Scheiben von rohem und gekochtem Schinken aneinandergereiht, während die oberste Platte mit knallgelben Schnittkäsescheiben verziert war. Sofort fühlte ich mich an das Schonkostmenü in einem Krankenhaus erinnert. Mit den Köstlichkeiten des opulenten Buffets gleich nebenan konnte dieses Arrangement jedenfalls nicht konkurrieren. „Was ist denn das Schönes?“, fragte ich mit leicht sarkastischem Unterton. „Ihr kontinentales Frühstück!“, erwiderte der Kellner. „Darf es noch eine Eierspeise sein?“ Mir schwante nichts Gutes: „Das Ei ist aber nicht kontinental?“, fragte ich vorsichtig.“ – „Nein, das gehört zum Buffet und kostet daher 16 Euro extra.“ „Ich soll also für ein Ei 16 Euro bezahlen?“ Leicht genervt entgegnete der Kellner, ich könne doch Champagner trinken, das jedenfalls sei im Preis inbegriffen.

Sie können sich meine Gefühlslage vorstellen. Denn mein Referenzpunkt „Köstliches Frühstücks-Buffet“ war in weite Ferne gerückt. Mit anderen Worten: Ich war hin- und hergerissen, wobei ich diese Dissonanz natürlich spielend leicht für einen Obolus von zusätzlichen und daher schmerzhaften 16 Euro sofort hätte beseitigen können. (Sie kennen mich: Natürlich habe ich es nicht ausgehalten und mir den Zugang zu Krabbensalat und Trüffelsalami erkauft.)

Und während ich es mir schmecken ließ, entwarf ich einen Brief an das Hotelmanagement, in dem ich erläuterte, dass ich sicher kein Problem damit gehabt hätte, wenn die Übernachtungsrate des Hotels zehn oder 20 Euro teurer gewesen wäre, vermutlich hätte ich es noch nicht einmal bemerkt. So aber hatte ich nach dem teuren Übernachtungspreis noch einen weiteren Verlust hinterhergeschoben bekommen, was mich nachhaltig verstimmte[i]. So sehr, dass ich mich bei dem Gedanken ertappte, ob ich nicht beim nächsten Besuch in Düsseldorf dieses Hotel von Vornherein meiden sollte.       



[i] Tatsächlich werden zwei mentale Verlustkonten („Übernachtungskonto“ plus „Aufpreis-Konto) eröffnet, während ein höherer Übernachtungspreis incl. Büffet beim Gast auf einem einzigen mentalen Konnte verbucht würde, dessen höherer „Verlust“ längst nicht so schwer wie die beiden einzelnen in der Summe wiegen würde.

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Joachim Goldberg
Frankfurt am Main

Seit rund 40 Jahren beschäftigt sich Joachim Goldberg mit dem Zusammenspiel von Menschen und Märkten. Bis heute faszinieren ihn die vielen Facetten, Nuancen, Geschichten, Analysen und Hintergründe, die sich in der weißgezackten Linie auf der großen Börsenkurstafel niederschlagen. Aber erst mit der Entdeckung der psychologischen Einflüsse auf die Finanzmärkte meint der studierte Bankfachwirt und frühere Devisenhändler dem, was die Welt der Finanzen antreibt und bewegt, nahe gekommen zu sein.

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