Skeptiker werden rar
Der US-Arbeitsmarktbericht der vergangenen Woche muss wohl große Enttäuschung ausgelöst haben, obwohl ich die Abweichungen bei den Nonfarm Payrolls sowie deren unerwartete Vormonatskorrekturen nach unten (statt, wie vielfach erwartet, nach oben) nicht so dramatisch finde. Vor allen Dingen, wenn man bedenkt, dass dieses Datum ohne hin recht volatil ist. Dennoch hat sich innerhalb weniger Tage das globale ökonomische Szenario anscheinend so stark eingetrübt, dass das Gros der Finanzmarktakteure offensichtlich nicht mehr davon ausgeht, dass es in diesem Jahr noch zu einer Zinserhöhung der US-Notenbank kommen wird. Zum einen, weil einige Investmentbanken ihre Wachstumsvorhersagen für das Jahr 2015 und 2016 drastisch nach unten korrigiert haben, und zum anderen, weil der IWF befürchtet, dass auch das globale Wachstum auf den niedrigsten Stand seit Beginn der Finanzkrise zurückfallen könnte.
Da ich zu denen gehöre, die ohnehin nicht mit einer Zinserhöhung der Fed in diesem Jahr gerechnet haben, muss ich mich zwangsläufig auch mit der Möglichkeit beschäftigen, dass es zumindest in den USA zu einem neuen quantitativen Lockerungsprogramm kommen könnte, sofern sich die Wachstumsbefürchtungen bestätigen sollten. Auch wenn ein sogenanntes QE4 nur hinter vorgehaltener Hand diskutiert wird und fraglich bleibt, ob eine erneute geldpolitische Lockerung überhaupt sinnvoll wäre, scheinen sich die Börsianer hierzulande bereits auf eine neuerliche Geldschwemme der Fed samt steigenden Aktienkursen einzurichten.
Selbst wenn auf der anderen Seite die Europäische Zentralbank für eine hierzulande vielerorts diskutierte Erweiterung ihres Anleihekaufprogramms noch einige Monate Zeit benötigen sollte, sind die Skeptiker rar geworden. Auch die Causa VW scheint niemanden mehr zu beunruhigen, wenn man sich die Entwicklung des Sentiments der mittelfristig orientierten Anleger an der Börse Frankfurt betrachtet, die ich HIER kommentiert habe. Dort zeigt sich nämlich eine so große Mehrheit von Optimisten, wie sie zuletzt im November 2006 gesichtet wurde. Gleichzeitig gibt es kaum noch Skeptiker – nicht einmal jeder fünfte geht noch von fallenden Kursen auf Sicht von einem Monat bei den institutionellen und privaten Anlegern aus.
Der Privatier
Und welche Schlussfolgerung ziehen wir denn nun aus der Erkenntnis, dass es eine ungewöhnlich große Zahl von Optimisten gibt?
* Gilt die Regel: „The trend is your friend“ und niemals gegen den Markt investieren? Wenn es also nach oben geht, gehen wir mit?
* Oder sehen wir den Indikator als Contra-Indikator? Wenn also alle optimistisch sind, werden wohl alle bereits investiert sein. Es kauft also keiner mehr. Übergroßer Optimismus als Zeichen eines überkauften Marktes? Nichts wie weg?
Was sagt der Verhaltensforscher dazu?
Gruß, Der Privatier
Joachim Goldberg
Lieber Privatier,
auf der Seite der Börse Frankfurt steht eine Analyse (vgl. Verlinkung im Text). Ansonsten gibt es weiterführende Materialien in den Themen des Monats Juli und August 2014 der WGZ Bank, wo ich zu diesem Thema ausführlich Stellung genommen habe. Auch HIER können Sie etwas finden.
Prinzipiell ist es nicht gut, wenn die Skeptiker fast alle verschwinden. Auf heute bezogen liegen die (wahrgenommenen) Einstandspreise der Optimisten der Börse Frankfurt vermutlich zwischen 10.100 und 10.400 Zählern. Da es sich vielfach um alte Schieflagen handelt, erwarte ich in diesem Bereich Abgaben aus diesen Engagements. Normalerweise ist das Sentiment ein Kontraindikator, weil unsere Erhebung ein Spiegel der langfristigen Kapitalströme ist, die wir leider nicht messen können. Und wenn sich dieser Strom dreht (was ich derzeit leider nicht ausschließen kann) wird das Sentiment tatsächlich, wenn auch meist nur für kurze Zeit, ein Trendindikator.