Dollar am Morgen Märkte

Im Twitter-Gewitter des Donald Trump

am
16. Juli 2019

EUR USD (1,1260)             Es sind nicht die Wirtschaftsdaten, die derzeit den Wechselkurs des Euro bestimmen. Das mag auch daran liegen, dass paradoxerweise zu positive US-Wirtschaftsdaten – die europäischen Fundamentals interessieren die Akteure noch weniger – sowohl für den Greenback als auch für den Aktienmarkt momentan ungünstig sein könnten. Andererseits sind es die negativen ökonomischen Überraschungen in den USA, die von manchem Börsianer insgeheim bejubelt werden, denn US-Zinssenkungen werden dann nicht nur wahrscheinlicher, sondern lassen sich zudem auch besser rechtfertigen.

 

Verschobene Anker als Referenzpunkte

In dieser Zeit der eher schwierigen, weil möglicherweise komplexen ökonomischen Analysen bevorzugen die Marktteilnehmer leicht verständliche, kurze Informationen und werden in dieser Hinsicht von Donald Trump mit seinen Tweets hervorragend bedient. Tweets, die am vergangenen Wochenende weltweit überwiegend für Empörung gesorgt haben – was ihrem Verursacher, genau genommen, kaum schadet. Vielmehr werden dabei Referenzpunkte verschoben und klammheimlich rote Linien überschritten, die teils über sehr lange Zeit als unantastbar galten. Aber alles, was in Zukunft geschieht, wird an diesen Referenzpunkten gemessen. Und es ist die Politik des US-Präsidenten, immer wieder zwei Schritte voranzupreschen und damit den Bezugspunkt zu verschieben und eine neue Maximalforderung zu etablieren, die sich in den Köpfen festsetzt. Anschließend weicht er dann einen halben Schritt zurück, um dies den Empörten als Entgegenkommen, als Einlenken bzw. als relativen psychologischen Gewinn zu verkaufen.

Auch was die Finanzmärkte betrifft, ließ Donald Trump am vergangenen Wochenende nicht locker. Obwohl Fed-Chef Jerome Powell zuletzt durchblicken ließ, dass es wohl Ende Juli eine Zinssenkung geben wird, bezeichnete Donald Trump die Geldpolitik der Fed als antiquiert. Will sagen: Er möchte noch mehr als die vom Markt längst eskomptierten 25 Basispunkte.

 

Der Zehnte muss wohl gehen

Was das Personalkarussell im Weißen Haus angeht, scheint das nächste Opfer in der „Survivor Series“ offenbar Handelsminister Wilbur Ross zu sein. Zumindest zitierten Medien ungenannte Quellen aus dem Umfeld Trumps, dass der 81-jährige Ross wohl im Sommer seinen Hut nehmen muss – es würde sich um das zehnte vom Senat bestätigte Mitglied aus Trumps Kabinett handeln, das ausscheidet. Aber nicht in erster Linie, weil die Verhandlungen im Handelskrieg mit China nicht im Sinne Trumps verlaufen wären. Sondern weil Trump mit Ross in anderer Hinsicht unzufrieden gewesen sein soll. Und zwar in einer Angelegenheit, die auf den ersten Blick nicht unbedingt erkennbar dem Handelsministerium zugeordnet werden muss, aber in dessen Zuständigkeit fällt: Trump sah sich im Streit darüber, ob bei der Volkszählung im Jahr 2020 auch die Frage nach der Nationalität gestellt werden sollte, gezwungen, seine Bemühungen diesbezüglich aufzugeben. Nicht zuletzt wegen einer Entscheidung des Obersten Gerichtshofs. Diese kolportierte Entlassung Ross‘ ist insofern bemerkenswert, als Ross zu denjenigen Ministern gehört, mit denen Trump schon sehr lange, bevor er die politische Arena betrat, geschäftlich, aber auch privat verbunden war. All dies scheint die Akteure an den Finanzmärkten aber nicht wirklich zu beeinflussen. Vielleicht auch, weil es im US-chinesischen Handelskonflikt alles andere als voran zu gehen scheint.

Berücksichtigt man darüber hinaus auch noch Trumps Währungskriegsgerede, über das sich derzeit einige Kommentatoren Gedanken machen, ist es erstaunlich, dass die Euro-Händler nicht längst reagiert haben. Denn eine Schlussfolgerung der Kommentatoren ist die: Sollten die USA tatsächlich versuchen, den Greenback durch Interventionen abzuwerten, säßen jene am längeren Hebel. Falls eine Währung wie der Euro tatsächlich im Sinne Trumps unerfreulich abwerten sollte, könnte das US-Finanzministerium in sehr großem Umfange Dollars gegen Euros verkaufen und so den Euro stützen. Dessen ungeachtet hat der Euro aber auch gestern nicht zulegen können und nicht einmal seinen nicht allzu weit entfernten Stabilisierungspunkt bei 1,1330 in Angriff genommen. Die Unterseite ist nun etwas besser stärker unterstützt, aber immer noch offen bis 1,1135/40.

 

Hinweis

Alle genannten Preisniveaus verlieren ab einer bestimmten Durchstoßgröße ihre Gültigkeit. Diese beträgt für EUR/USD 10 Stellen.

 

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Joachim Goldberg
Frankfurt am Main

Seit rund 40 Jahren beschäftigt sich Joachim Goldberg mit dem Zusammenspiel von Menschen und Märkten. Bis heute faszinieren ihn die vielen Facetten, Nuancen, Geschichten, Analysen und Hintergründe, die sich in der weißgezackten Linie auf der großen Börsenkurstafel niederschlagen. Aber erst mit der Entdeckung der psychologischen Einflüsse auf die Finanzmärkte meint der studierte Bankfachwirt und frühere Devisenhändler dem, was die Welt der Finanzen antreibt und bewegt, nahe gekommen zu sein.

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