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Relative Krisenbewältigung

am
27. Oktober 2011

Die Reaktion der Finanzmärkte auf den gestrigen Lösungsbeitrag für die EU-Schuldenkrise ist zumindest anfangs fast schon ein bisschen euphorisch ausgefallen. Da muss der Referenzpunkt der Erwartungen schon sehr niedrig gelegen haben, wenn der DAX heute Früh mit einem weiteren Jubelsprung eröffnete. Gemessen an dem von Optimisten einmal erwarteten „großen Wurf“ beim Gipfel der EU-Staats- und Regierungschefs, ist allerdings nicht allzu viel übrig geblieben. Und das, was beim gestrigen Treffen beschlossen wurde, mag vielleicht genügen um einen Brand, ausgehend von Griechenland, zu löschen. Nachhaltig ist diese Lösung jedoch nicht. Allein schon der Hebel für den EFSF, der dessen Volumen auf gut 1 Billion Euro aufblähen wird, ist zwar mit dem Faktor vier oder fünf schon recht hoch – doch die Erwartungen der Akteure für eine nachhaltige Beruhigung der Finanzmärkte liegen indes doppelt so hoch. Und so darf man auch für die gestrigen Beschlüsse, die überdies bezüglich des EFSF-Hebels noch zu konkretisieren sind, keine allzu langen Halbwertszeiten erwarten.

Immerhin konnte sich Angela Merkel zuvor im Bundestag eine Mehrheit von knapp 85 % der Abgeordneten sichern, von denen bestenfalls eine kleine Minderheit verstanden haben dürfte, wofür sie konkret gestimmt haben. Aber auch hier spielt der Referenzpunkt der Handlungsalternative (d. h. mit Nein zu stimmen oder sich zu enthalten) eine Rolle. Denn im Vergleich zu den wahrgenommenen unwägbaren, möglicherweise fürchterlichen Risiken und Konsequenzen, die eine Ablehnung der Aufblähung des EFSF-Schirms mit sich gebracht hätte, sieht eine irgendwie geartete „Rettung“ schon richtig toll aus. Über diese und andere Themen, aber auch für die Folgen für die Märkte, habe ich übrigens in meinem heutigen Interview, das Andreas Scholz vom Deutschen Anlegerfernsehen (DAF) mit mir führte, ausführlich gesprochen.

Mein Kollege Gianni Hirschmüller sprach zudem im n-tv Interview mit Sabrina Marggraf über das Markt-Sentiment und die Gefahren einer Short-Squeeze.

 

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2 Kommentare
  1. Antworten

    Mathis

    27. Oktober 2011

    Es ist doch einfach nur eine Zeitverschiebung, dass eigentliche Problem ist noch überhaupt nicht gelöst…

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Joachim Goldberg
Frankfurt am Main

Seit rund 40 Jahren beschäftigt sich Joachim Goldberg mit dem Zusammenspiel von Menschen und Märkten. Bis heute faszinieren ihn die vielen Facetten, Nuancen, Geschichten, Analysen und Hintergründe, die sich in der weißgezackten Linie auf der großen Börsenkurstafel niederschlagen. Aber erst mit der Entdeckung der psychologischen Einflüsse auf die Finanzmärkte meint der studierte Bankfachwirt und frühere Devisenhändler dem, was die Welt der Finanzen antreibt und bewegt, nahe gekommen zu sein.

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