Dollar am Morgen Märkte

Psychogramm einer Fed-Sitzung

am
18. Juni 2019

EUR USD (1,1230)             Eigentlich kann man diesen Satz mittlerweile nicht mehr hören, dass der Markt angeblich nur auf die am Mittwoch endende Sitzung des Offenmarktausschusses der US-Notenbank (FOMC) warte. Dazu mag auch der gestrige ökonomisch datenarme Montag beigetragen haben. Immerhin: Auf dem Terminplan dürfte bei dem einen oder anderen Akteur der Monatsbericht der Deutschen Bundesbank für Juni gestanden haben. Laut diesem Bericht geht die Bundesbank von einem Dämpfer für die deutsche Wirtschaft im zweiten Quartal aus. Zur Begründung führt sie so genannte Sondereffekte im ersten Quartal an, die das Wachstum angekurbelt hätten, aber nun im zweiten Quartal auslaufen oder sich gar umkehren würden. Aber auch die Aussage, dass die „konjunkturelle Grundtendenz“ nach wie vor schwach sein würde, hat die Händler nicht sonderlich beeinflusst. Im Gegenteil: Der Euro konnte sich im Tagesverlauf sogar minimal erholen.

 

Kurzum: Die Erwartungen an die US-Notenbank bestimmen naturgemäß die Szenerie. Dabei scheint es eigentlich nur noch darum zu gehen, wie taubenhaft sich die Fed in ihrem Statement am Mittwochabend und in der darauf folgenden Pressekonferenz gerieren wird. Und fast hat es den Anschein, als ob bereits Marktkonsens darüber besteht, dass alles andere als ein klares taubenhaftes Signal der Notenbank von den Teilnehmern an den Finanzmärkten mit Enttäuschung quittiert würde.

 

Über den Anker „klares Signal“

Die Vorstellung davon, wie nun dieses klare Signal konkret aussehen könnte, richtet sich mittlerweile nicht einmal mehr nach den ökonomischen Notwendigkeiten. Vielmehr spielt die Psychologie eine ganz wesentliche Rolle. Und zwar dergestalt, dass bereits extreme psychische Anker im Markt wirksam sind, an denen das Adjektiv „klar“ gemessen wird. Egal, ob diese Anker Sinn machen oder nicht. Einer davon ist ganz geschickt von Larry Kudlow gesetzt (vgl. HIER) worden. Dem ökonomischen Chefberater des US-Präsidenten liegt natürlich nichts ferner, als die Entscheider in der Notenbank beeinflussen zu wollen. Allein: Kudlow würde es natürlich sehr freuen, wenn die Notenbank – entgegen der Erwartung der Marktmehrheit – den Leitzins bereits am kommenden Mittwoch um 25 Basispunkte senken würde. Ein Anker, der sich wahrscheinlich eher unbewusst in den Köpfen der Akteure festgesetzt hat. So gesehen ist alles, was nicht dieser Extremforderung entspricht, eigentlich schon eine Enttäuschung. Zumal eine Zinssenkung von 25 Basispunkten im Juli ohnehin schon eingepreist ist. Ob da gesenkte Zinsprognosen der FOMC-Mitglieder, niedrigere DOT-Plots für die kommenden Monate, genügen? Wahrscheinlich nicht.

 

Fed-Schützenhilfe für Trump?

Auf der anderen Seite würde sich der Offenmarktausschuss, sollte er tatsächlich bereits in dieser Woche die Zinsen senken, möglicherweise dem Vorwurf aussetzen, er habe dem Druck der Märkte und letztlich auch demjenigen des US-Präsidenten nachgegeben. Und so gibt es durchaus Kommentatoren, die die Ansicht vertreten, dass ein so gestärkter Donald Trump nur wenig Veranlassung sehen könnte, im US-chinesischen Handelsstreit alsbald zu einem Kompromiss zu gelangen. Eigentlich ließ Trump bereits am vergangenen Wochenende durchblicken, er sehe keine große Notwendigkeit mehr, sich am Rande des G20-Gipfels der Staats- und Regierungschefs am 28./29. Juni in Osaka mit Chinas Staatspräsident Xi Jinping zu treffen.

Aber per Saldo ist für die Marktteilnehmer eben entscheidend, wie sehr ihre Erwartungen, die man eigentlich fast nicht mehr toppen kann, erfüllt, oder besser gesagt, enttäuscht werden. Und deswegen ist auch schwer vorstellbar, dass sich der Dollar alleine aus dieser Sichtweise heraus kurzfristig stärker abschwächen könnte. Das gleiche gilt natürlich umgekehrt für eine Befestigung des Euro. So dürfte die derzeitige Konsolidierungszone zwischen 1,1110 und 1,1345 weiterhin Bestand haben, wobei ein Test und möglicherweise ein leichter Durchbruch bei 1,1110 wahrscheinlicher sind. Allerdings dürfte in diesem Fall bereits bei 1,1045/50 die altbekannte langfristige Nachfrage (vgl. meinen Beitrag vom 4. Juni HIER) einem größeren Einbruch des Euro entgegenstehen.

 

Hinweis

Alle genannten Preisniveaus verlieren ab einer bestimmten Durchstoßgröße ihre Gültigkeit. Diese beträgt für EUR/USD 10 Stellen.

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Joachim Goldberg
Frankfurt am Main

Seit rund 40 Jahren beschäftigt sich Joachim Goldberg mit dem Zusammenspiel von Menschen und Märkten. Bis heute faszinieren ihn die vielen Facetten, Nuancen, Geschichten, Analysen und Hintergründe, die sich in der weißgezackten Linie auf der großen Börsenkurstafel niederschlagen. Aber erst mit der Entdeckung der psychologischen Einflüsse auf die Finanzmärkte meint der studierte Bankfachwirt und frühere Devisenhändler dem, was die Welt der Finanzen antreibt und bewegt, nahe gekommen zu sein.

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