am
13. November 2013

Um ein Haar hätte es auch mich erwischt. So wollte ich am vergangenen Donnerstag tatsächlich mein Konto bei der Bitcoin-Börse Mt.Gox aktivieren, um mir endlich selbst ein paar Bitcoins zu kaufen. Dummerweise hatte ich jedoch meinen Personalausweis nicht zur Hand, den ich dafür einscannen und an Mt. Gox hätte schicken müssen. Zu jener Zeit wurde die virtuelle Währung bei 220 US-Dollar  gehandelt und jetzt, während ich dies hier schreibe, liegt deren Wert bereits bei knapp 400 Dollar! Nein, ich schwöre, dass ich mich nicht darüber geärgert habe, diese Aufwärtsbewegung verpasst zu haben. Vielleicht war es sogar ganz gut, dass ich meinem ersten Kaufdrang nicht nachgegeben, sondern mich stattdessen an meine mir vor vielen Jahren selbst auferlegte Regel gehalten habe, die da lautet: „Schlafe mindestens eine Nacht darüber, bevor Du Dich für ein Investment in einer Anlageklasse, in der Du Dich nicht wirklich auskennst, entscheidest!“

Dann deutete auch mein Freund und Kompagnon Herman an, dass es für einen Einstieg noch längst nicht zu spät sei. Und ein Bekannter, den ich während der Gold-Haussezeiten von 2010 und 2011 ins Herz geschlossen hatte, raunte mir verschwörerisch ins Ohr, dass man bei den Bitcoins einfach dabei sein müsse. Da seien möglicherweise Preise von zwischen fünf und 10.000 Dollar pro „BTC“ drin, meint er, vor allen Dingen wenn die US-Notenbank weiter so viel Geld drucken würde, wie sie dies zurzeit täte. Schon rechnete ich mich reich.

 

Bitcoins erreichen „Marktreife“

Dann fielen mir aber wieder meine beiden Blogbeiträge vom April (hier und hier) ein, in denen ich die Kursentwicklung bei den Bitcoins mit der berüchtigten Tulipmania des 17. Jahrhundert verglich. So hatte sich am 4. April dieses Jahres die virtuelle Währung in weniger als zwei Wochen in ihrem Wert  verdoppelt, um dann allerdings innerhalb von sechs Stunden von 266 auf 105 Dollar herunter zu krachen. So schnell waren noch nicht einmal die Tulpenträume von vor über 300 Jahren verwelkt.

Heute, ein gutes halbes Jahr später, erklärte mir ein Experte, der jüngste Kursanstieg sei doch ein klarer Beweis dafür, dass Bitcoins nun endlich Marktreife erreicht hätten. „Aber nun stell dir einmal vor, wenn erst einmal PayPal Bitcoins als Zahlungsmittel akzeptiert, wie ich gerüchteweise gehört habe…“, fuhr der Experte fort, „dann wirst du eine wahre Kursrakete sehen.“ Klarer Fall, wenn die breite Masse Bitcoins akzeptiert. Und PayPal könnte dafür ein Indikator sein. Aber, Vorsicht! Dieses Unternehmen wird sich vermutlich keinen unnötigen Risiken aussetzen. Sofern angediente Bitcoins nicht zur Begleichung einer Rechnung im Internet akzeptiert werden, könnte PayPal aber bei Bedarf den Part eines Geldwechslers von Euro in BTC und umgekehrt spielen. Natürlich gegen stattliche Provisionen.

 

Wieder einmal schneller Reichtum für alle?

Daraufhin habe ich mir für meinen Teil im Internet die Charts diverser Spekulationsblasen angeschaut. Dabei bin ich zu dem Schluss gekommen, dass wir erst am Anfang eines neuen Trends stehen, der gerade größeres Medieninteresse zu wecken scheint. Das sieht nach einem wunderbaren Eldorado für alle aus, könnte man meinen. Ich höre sie schon jetzt in meinem Ohr, all‘ die sagen- und märchenhaften Erzählungen davon, wie viel einige Leute mit Bitcoins verdient haben, obwohl ich die Funktionsweise und den Sinn dieser virtuellen Währung bis heute nicht richtig durchschaue.

Woher rührt die Faszination für dieses unsichtbare Geld, wo doch die meisten Menschen keine abstrakten Dinge mögen? Aber Bitcoin, das klingt nach harter Währung, das hat etwas von „in eine Münze  beißen“ (to bit[e in a ]coin) – hat man früher nicht so auch Goldmünzen geprüft? Da kommt einiges an psychologischen Momenten und Fallen zusammen. Die vermeintlich leichte Vorstellbarkeit einer abstrakten Währung. Oder geht es darum, im Trend zu liegen, weil Bitcoins so zukunftsweisend wirken und womöglich noch zum Statussymbol werden? Auch Neid mag dabei eine Rolle spielen, die Angst, mit dem Nachbarn nicht mithalten zu können, wenn der in großer Runde mit seinen Bitcoin-Gewinnen prahlt. Oder ist es wieder einmal der alte, nie ausgeträumte Traum, innerhalb kürzester Zeit steinreich zu werden? Das alles sind nur allzu menschliche Motive.

Aber erst hinterher werden wir wissen, ob wir tatsächlich reicher geworden sind. Und sei es nur um eine weitere Erfahrung.

 

P.S.: Gerade erfuhr ich, dass eine chinesische Bitcoin-Plattform, die 1.000 Kundenkonten im Gegenwert von 4,1 Millionen US-Dollar unterhielt, sang- und klanglos „offline“ gegangen sein soll.  

 

 

SCHLAGWÖRTER
ÄHNLICHE BEITRÄGE

HINTERLASSEN SIE EINEN KOMMENTAR

Joachim Goldberg
Frankfurt am Main

Seit rund 40 Jahren beschäftigt sich Joachim Goldberg mit dem Zusammenspiel von Menschen und Märkten. Bis heute faszinieren ihn die vielen Facetten, Nuancen, Geschichten, Analysen und Hintergründe, die sich in der weißgezackten Linie auf der großen Börsenkurstafel niederschlagen. Aber erst mit der Entdeckung der psychologischen Einflüsse auf die Finanzmärkte meint der studierte Bankfachwirt und frühere Devisenhändler dem, was die Welt der Finanzen antreibt und bewegt, nahe gekommen zu sein.

Archiv