Behavioral Living Marketing

Monteur & Marketing

am
13. Februar 2013

Da war er nun, jener Augenblick, wie er hoffentlich nur einmal im Leben einer jeden Geschirrspülmaschine vorkommt: Das Waschprogramm blieb eine Minute vor Schluss stehen, das Geschirr in der Maschine wegen der ausgefallen Heizung feucht, weswegen ich den Kundendienst vom Hersteller der Maschine anrufen musste. Gott sei Dank ist die Hotline von Siemens rund um die Uhr besetzt und nimmt selbst samstagabends Aufträge an. Allerdings, so beschied mir die nette Dame am Telefon, müsste ich gut eine Woche warten, denn der Reparaturservice sei derzeit völlig überlastet. Im Geiste hatte ich mir schon einmal ausgerechnet, was so eine Reparatur kosten könne. Wahrscheinlich 200 bis 250 Euro. Dachte ich.

Eine Woche später klingelt es überraschend pünktlich um 8:00 Uhr an der Tür: Der Mann von Siemens war da! Flott öffnete er den Geschirrspüler und zeigte mir mit mitleidiger Miene das durchsichtige Abflusssystem, die so genannte Wassertasche, die allerdings hier und da hässliche Verstopfungen aufwies, verursacht durch Reste von Stärke (feinste Rückstände aus Kartoffeln, Reis, etc.), die sich über die Jahre ansammeln. Das nenne ich Transparenz. Dann kam für mich der mentale kurze, aber heftige Schmerz, als mir der Monteur  eröffnete, dass das ganze Reparatur-Vergnügen mich 320 Euro kosten würde. Das war viel mehr, als ich gedacht hatte, und schnell machte ich einen internen Faktencheck: Eine neue Maschine würde mich vermutlich mindestens 700 Euro, wenn nicht mehr, kosten, überschlug ich blitzschnell im Kopf und spürte, dass ich bereits in der Falle saß. Denn die 320 Euro befanden sich ziemlich genau an der Grenze dessen, was ich gerade noch zu investieren bereit gewesen wäre, bevor ich mich für die Anschaffung eines neuen Gerätes entschieden hätte. Vielleicht hatte Siemens das vorher berechnet. „In dem Preis sind auch alle Kosten enthalten, also Anfahrt, Arbeitszeit, Mehrwertsteuer“, fügte der Monteur, der meinem Gesichtsausdruck offenbar verschiedene Schattierungen des Schreckens entnommen hatte, beflissen hinzu. Als ob er nicht nur Fachmann für Wasserschläuche, sondern auch für Behavioral Economics wäre, eröffnete er für jede einzelne seiner Leistungen bei mir ein separates mentales Gewinnkonto.

 

Allround-Verkäufer

Aber er hatte meine Entscheidung sowieso schon in der Tasche, denn ich konnte mir absolut nicht vorstellen, dass ich den Servicemitarbeiter unverrichteter Dinge nach Hause schicken würde, nachdem ich doch bereits seit einer guten Woche auf den Reparaturtermin gewartet hatte. Die baldige Lösung aller Geschirrspül-Probleme vor Augen, bemerkte ich, wie ich in der Commitment-Falle saß. Wenn ich jetzt Nein gesagt hätte, hätte ich überdies die Anfahrt des Monteurs bezahlen, mir einen neuen Geschirrspüler bestellen und womöglich noch einmal eine Woche auf die Installation der Maschine warten müssen – nein, das war zu viel für mich. Und so entschloss ich mich zur Reparatur, an deren Ende mir der smarte Monteur auch noch einen möglicherweise überteuerten Reiniger nach allen Regeln der Verhaltensökonomie (vier Päckchen zum Preis von drei) für 15 Euro verkaufte, den es angeblich nur bei Siemens gäbe.  

„Jetzt haben Sie zwei Jahre Garantie – und hoffentlich Ruhe“, strahlte mich der Monteur an und hielt mir einen laminierten Prospekt zum Abschluss einer Reparaturversicherung für ein paar ausgewählte Haushaltsgeräte, auch wenn sie nicht von Siemens stammten, unter die Nase: „Nur 16 Euro pro Monat“, hob er an, aber ich ließ ihn gar nicht erst weiterreden, weil ich ahnte, dass schon die nächste Falle auf mich lauerte. Und bei der nächsten Reparatur, schwor ich mir, werde ich mich besser auf das Verkaufsgespräch vorbereiten.

SCHLAGWÖRTER
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2 Kommentare
  1. Antworten

    Ralph Hirnrabe

    13. Februar 2013

    Merkwürdig, bei Siemens vor 6 Jahren genau Ähnliches erlebt.
    Siemens Maschine nach 6 Jahren kaputt gegangen. Monteur musste 40 km anreisen und teilt mir, Maschine kaum zu reparieren, wirtschaftlich schon gar nicht. Aber…
    er habe eine Gutschein von Siemens und ich könne beim Händler meiner Wahl ein Siemens Gerät kaufen. Das unterscheidet unsere Erfahrungen signifikant.
    Wir mussten so um die 190 EUR bezahlen. Nun sind wieder 6 Jahre rum, unsere Siemens Maschine für rund 800 EUR ist defekt, die Garantie dauert in beiden Fällen jedoch 5 Jahre und war jeweils einige Monate überschritten.
    Da wir eine neue Küche nun kaufen, haben wir von Siemens Geräten Abstand genommen.
    Ich möchte in 6 Jahren ja nicht sagen, ich hab es ja gewusst…

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Joachim Goldberg
Frankfurt am Main

Seit rund 40 Jahren beschäftigt sich Joachim Goldberg mit dem Zusammenspiel von Menschen und Märkten. Bis heute faszinieren ihn die vielen Facetten, Nuancen, Geschichten, Analysen und Hintergründe, die sich in der weißgezackten Linie auf der großen Börsenkurstafel niederschlagen. Aber erst mit der Entdeckung der psychologischen Einflüsse auf die Finanzmärkte meint der studierte Bankfachwirt und frühere Devisenhändler dem, was die Welt der Finanzen antreibt und bewegt, nahe gekommen zu sein.

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