Lohndiät
Ich bin kein Freund von Diäten. Obwohl ich schon viele ausprobiert habe. Wären da nicht diese Jojo-Effekte, die ich – wenn auch erst Monate später – immer wieder zu spüren bekomme. Der Volksmund würde sagen: Wie zeronnen, so gewonnen. Jetzt gibt es eine neue Form, Fettpunkte und andere Kalorientreiber zu sparen. Es handelt sich um die so genannte Lohndiät, die den Arbeitsmarkt in Form bringt, so die Schleswig-Holsteinische Landeszeitung vom 29. Juli. Viele nehmen dann auch tatsächlich automatisch ab, weil sie weniger Geld zum Ausgeben haben.
So verbreitet eine Forschergruppe, die „Kiel Economics“, besonders starken Optimismus* zur Entwicklung am Arbeitsmarkt. Deren Chef Carsten-Patrick Meier rechnet nämlich damit, dass bereits im Jahre 2014 nur noch 1,8 Millionen Menschen in Deutschland beschäftigungslos sein werden, was einer Arbeitslosenquote von 4,5 Prozent und damit fast dem Zustand der Vollbeschäftigung entspräche – eine Studie der Bertelsmann-Stiftung weist in die ähnliche Richtung. Der Wirtschaftsforscher geht aber noch weiter und nennt zur Begründung seiner Prognose die „deutliche Lohnzurückhaltung“ in den Jahren 2004 bis 2008. Anders ausgedrückt: Dem Arbeitsmarkt stehen goldene Zeiten bevor, weil die Nachfrage nach Jobs angeblich schneller als das Angebot steigen wird.
Aber diese Zahlen alleine sagen nichts über die Qualität der Arbeitsplätze aus, deren Label zu einem großen Teil auch in Zukunft die Namen Teilzeitarbeit, Zeitarbeit, Leiharbeit und „befristete Arbeitsverhältnisse“ tragen werden. Auch ist zu befürchten, dass die Löhne real in Zukunft nicht steigen werden.
Gleiche Arbeit für immer weniger Geld – geht das gut? Wenn man einem Experiment des US-Psychologen und Behavioral Economics Professors Dan Ariely Glauben schenken möchte**, könnte man diese Frage bejahen. Auch wenn es nur um den Zusammenbau von Lego-Robotern durch Studenten ging, waren diese bereit, auch bei stetig sinkenden Bezügen zu arbeiten. Ausgehend von einem Anfangslohn von zwei Dollar wurde nämlich der Stücklohn in jeder Runde um jeweils 11 Cents gesenkt. Immerhin wurden im Schnitt von jedem der Teilnehmer mehr als zehn dieser Spielzeugroboter produziert. Ein Verhalten, das vor allem dem Umstand geschuldet war, dass die Probanden das Gefühl hatten, eine sinnvolle Arbeit zu verrichten. 65 Prozent von ihnen waren sogar bereit, auch noch für einen Stücklohn von weniger als einem Dollar zu arbeiten. Die Produktionszahlen einer anderen Gruppe sahen indes bedeutend schlechter aus. Weil jeder der produzierten Roboter zwar bezahlt, aber sofort wieder zerstört wurde, mussten diese Probanden ihre Arbeit als sinnlos empfinden. Hier wurden im Schnitt gut sieben Plastikroboter zusammengebaut, aber nur noch 20 Prozent der Studenten waren bereit, auch noch für einen Stücklohn von weniger als einem Dollar zu arbeiten.
Solange Arbeit also Spaß macht, sind die Menschen offenbar bereit, zu sinkenden Löhnen zu produzieren. Leider selbst zu (Dumping-)Löhnen, mit denen ein auskömmliches Leben nicht mehr möglich ist.
*Die Kiel Economics gehört zum Kreis der Institute, die für die Bundesregierung mit anderen zusammen eine Diagnose erstellten.
** vgl. Arielys lesenswertes Buch The Upside of Irrationality, Harper Collins Publishers, New York, 2010