Lehrstunde in praktischer Demokratie
Laut der jüngsten Umfrage von YouGov hat das Pendel in Sachen Brexit wieder etwas in Richtung Brexit-Gegner ausgeschlagen – allerdings beträgt deren Vorsprung lediglich einen Prozentpunkt. Viel interessanter ist jedoch, dass die Online-Umfrage von YouGov, die vor allen Dingen die Brexit Befürworter während der Zuwanderungsdebatte in Führung gesehen hatte, nun wieder auf das alte Ausgangsniveau – ein Kopf-an-Kopf-Rennen – zurückgefallen ist.
Doch die eigentliche Sensation ist, was die Internetausgabe der britischen Zeitung The Sun als Aussage von Lord Astor, dem früheren Tory-Abgeordneten und Schwiegervater von David Cameron zitiert. So soll der Lord gesagt haben, dass Abgeordnete des Unterhauses ein Votum der Bevölkerung für einen Austritt Großbritanniens aus der EU am 23. Juni blockieren könnten und somit ein Brexit nicht umsetzbar wäre. Ein anderer Tory-Abgeordneter stieß ins selbe Horn und verwies gegenüber der BBC darauf, dass das Referendum lediglich eine Empfehlung darstellen würde und rechtlich (wie ich bereits HIER und HIER erwähnt hatte) nicht bindend sei. Man werde das Mandat der Bürger, die EU zu verlassen, akzeptieren. Aber alles danach [nach dem Referendum] sei verhandelbar, wobei das Parlament das Sagen habe.
Wenn sich diese Ansicht durchsetzen sollte, wäre der Ausgang des Referendums in gut zwei Wochen eigentlich bedeutungslos und die Abstimmung gliche einer Farce.
Demokratisch wäre das nicht.
Kurzatmige Fed
Als Farce lässt sich auch das Verhalten der US-Notenbank verstehen, deren Offenmarktausschuss nach einem durchaus schlechten Arbeitsmarktbericht am vergangenen Freitag anscheinend nicht mehr gewillt ist, in der nahen Zukunft die Zinsen zu erhöhen. Nach einem mühevollen Einstimmen der Finanzmärkte auf einen baldigen Zinsschritt haben zumindest in der Wahrnehmung der Marktteilnehmer ein paar durchaus volatile Wirtschaftsdaten (etwa die Nonfarm Payrolls) die ganze Arbeit vieler Fed-Vertreter zunichtegemacht.
Jetzt muss offenbar erst wieder innerhalb der Fed abgewartet werden, ob es sich bei den jüngsten Arbeitsmarktdaten nur um ein Ausrutscher oder um einen Trend handelt. Für eine weitere Zinserhöhung scheint das Timing also wieder einmal ungünstig. Ja, eigentlich wird die Fed einen solchen Schritt immer zu einem falschen Zeitpunkt vornehmen. Für das Treffen der Mitglieder des Offenmarktausschusses am kommenden Mittwoch stehen die Erwartungen für eine Zinserhöhung (vgl. Bloomberg) praktisch bei null.
Die jüngste Umfrage der Börse Frankfurt zur Stimmung der mittelfristig orientierten Akteure geht in die gleiche Richtung – einen entsprechenden Kommentar habe ich HIER erstellt.