Fed, Herrin über ökonomische Schalter
Eigentlich hat es mich schon ein wenig erstaunt, wie überrascht die Finanzmärkte von der Ankündigung Ben Bernankes gewesen waren, die US-Notenbank werde ihre Niedrigzinspolitik in Zukunft an feste ökonomische Werte binden. Denn während der vergangenen Wochen war doch durchaus immer wieder erkennbar, dass der Offenmarktausschuss der Fed zu einem derartigen Schritt tendieren würde, nachdem mehrere seiner Mitglieder (Janet Yellen, Charles Evans und andere) bereits mit Zahlenvorschlägen von sich Reden gemacht hatten. Dass die Politik extrem niedriger Fed-Funds-Zinsen fortgeführt werden soll, solange sich die Arbeitslosenquote oberhalb von 6,5 Prozent bewegt und auf Sicht von ein bis zwei Jahren eine Inflationsrate von höchstens 2,5 Prozent erwartet wird, mag auf den ersten Blick vorteilhaft erscheinen: Es handelt sich um eine im Voraus definierte Kombination von Regeln, womit die Notenbankpolitik vordergründig berechenbarer erscheint. Ja, fast bekommt man den Eindruck, Ben Bernanke wolle mit seiner Zahlengläubigkeit der Ökonomie doch noch den Status einer Naturwissenschaft verleihen. Etwas, das den Ökonomen bis heute nicht gelungen ist.
Natürlich würde nach Eintritt der nunmehr quantifizierbaren Bedingungen nicht sofort ein Schalter umgelegt und eine Phase massiv steigender Zinsen eingeleitet werden. Aber wie ich schon an anderer Stelle andeutete, setzt der Glaube an die Bedeutung ökonomischer Schwellenwerte voraus, dass die zurate gezogenen ökonomischen Indikatoren für die Einschätzung der konjunkturellen Entwicklung tatsächlich auch sinnvoll sind. Ich bin mir nicht sicher, ob dies tatsächlich der Fall ist.
Trügerische Sicherheit und Kontrollillusion
Abgesehen davon, dass die Akteure an den Finanzmärkten mit den neuen ökonomischen Zielmarken nicht nur psychologischen Ankereffekten unterliegen werden, würde etwa die Wirkung einer Zinserhöhung nach Eintreten der dafür erforderlichen Bedingung vielerorts wahrscheinlich völlig überschätzt. Man bekommt quasi den Eindruck, die Fed sei mit ihrer Politik der Zahlengläubigkeit in der Lage, in realiter etwas zu bewegen. Nach dem Motto: Wer den Schalter bedienen kann, hat auch die Kontrolle über das, was er damit bewegt. Womit sich die Investoren womöglich in einer trügerischen Sicherheit wiegen werden. Wo doch gerade das Beispiel der japanischen Notenbank (BoJ) zeigt, wie wenig geldpolitische Instrumente im Zweifel ausrichten können. Immerhin muss man Ben Bernanke und seinen Mitstreitern zugutehalten, dass sie sich eine Hintertür offengelassen haben. Denn die quantitativen Regeln gelten nur für den Leitzins, während die Anleihekaufprogramme einer qualitativen Bewertung der ökonomischen Situation unterzogen werden, womit sich die Notenbank zumindest nicht ihrer Flexibilität beraubt.
Unterdessen bleibt die Stimmung an den Aktienmärkten, deren gestrige Erhebung die jüngsten Maßnahmen der Fed naturgemäß noch nicht beinhalten konnte, fast ungetrübt. Ob dieser Optimismus von Dauer ist, können Sie in meinem Sentiment-Kommentar für die Börse Frankfurt nachlesen, während sich Gianni Hirschmüller (unter dem entsprechenden Reiter auf derselben Seite) um die Detailanalyse gekümmert hat.