Goldfinger
Eigentlich treibe ich das ganze Jahr über Sport, aber zum Jahresbeginn bin ich immer besonders motiviert. Während ich also neulich im Fitness-Studio auf dem Crosstrainer meine Kondition schwungvoll zu steigern versuchte, richtete sich mein Blick zwangsläufig auf die acht vor mir flimmernden Bildschirme, bis ich mich schließlich für die Nachrichtensendung meines Lieblingssenders n-tv entschied. Normalerweise schaltete ich dann, wenn die anschließende Sendung „n-tv Deluxe – alles, was Spaß macht“ beginnt, auf ein anderes Programm um. Aber dieses Mal sollte es um das Gold der Milliardäre gehen – anscheinend sind sie die Zielgruppe dieser Sendung. Und angesichts der unübersichtlichen Lage am Goldmarkt konnte ich einfach nicht umhin, mir diesen Beitrag anzusehen. „Gold boomt!“, verkündete, fast schon ein wenig schrill, die Moderatorin Jennifer Knäble. Für mich indes hatte das gelbe Metall während der vergangenen Monate deutlich an Glanz verloren. Umso gespannter war ich auf die weiteren Analysen.
Sogleich wurde den Zuschauern der mir bis dahin unbekannte, vermutlich weil äußerst diskret agierende Hugo Hagen vorgestellt. Er also soll seit 50 Jahren Deutschlands gefragtester Experte in Sachen Gold und angeblich auch Herr über das größte private Goldlager des Landes sein – weshalb er von der Stimme aus dem Off geheimnisvoll als Mr. Goldfinger tituliert wurde. Ja, Gold gilt offenbar immer noch als Geheimtipp unter Superreichen. Zum Beleg wurde dem Zuschauer eine reiche Erbin vorgestellt, die offenbar alles hat – Aktien, Immobilien, Männer –, nur kein Gold.
Nun hätte ich mich riesig gefreut, wenn ich von Mister Goldfinger auch eine Prognose genannt bekommen hätte, aber ein Goldlager, bei dem alle Stahlfächer bis auf eines an Kunden vermietet sind, scheint wohl Beleg genug dafür zu sein, dass es sich beim gelben Metall um ein erfolgreiches Investment handeln muss. Und als Kronzeuge einer möglichen Goldhausse kommentierte die Stimme aus dem Off, wer vor 20 Jahren auf Hugo Hagen gehört habe, habe seinen Einsatz vervielfachen können.
Nur Champagner
Jetzt überfiel mich, der ich meine kompletten Bestände inklusive allem verfügbaren Zahngold bereits im Frühherbst des Jahres 2012 verkauft hatte, fast schon ein wenig Nervosität. Sollte ich jetzt wieder einsteigen? Denn Mr. Goldfingers Empfehlung, etwa 15 bis 20 Prozent des liquiden Vermögens in Edelmetallen anzulegen, war angesichts meines leeren Metalldepots schon so etwas wie eine klare Kaufempfehlung. Wenn er nur nicht gesagt hätte, bei ihm gäbe es auch „Gold to go“ (man kommt mit Geld und nimmt Gold mit), was in mir die Assoziation mit kaltem Kaffee aus Styroporbechern auslöste. Und als dann auch noch die Millionärserbin äußerte, in den Kreisen, in denen sie sich bewege, wäre Gold ein gerngesehenes Mitbringsel , bekam ich zusätzlich ein schlechtes Gewissen, weil ich zur Einladung bei lieben Freunden am selben Abend lediglich eine Flasche Champagner einpacken wollte.
Ich schlenderte in die Umkleidekabine zurück und besann mich unter der Dusche auf zwei wichtige Grundsätze, die ich mir als verhaltensorientierter Analyst immer wieder ganz besonders zu Herzen nehme. Der eine besagt, dass man ein Investment niemals davon abhängig machen soll, ob die vorherige Entscheidung ein Erfolg oder Misserfolg gewesen ist (selektives Entscheiden). Der andere besteht in der Warnung vor so genannten geheimnisumwitterten Erfolgs-Tipps, vor allem wenn diese im Fernsehen einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.