Für viele zu wenig
EUR USD (1,1145) Vermutlich waren es gestern vor allem die Aktienhändler, die von der Europäischen Zentralbank insgeheim mehr erwartet hatten. Denn allein der DAX verlor 1,7 Prozent an Wert, und auch die Aktienmärkte jenseits des Atlantiks schienen empfindlich auf das gestrige Statement der Zentralbanker reagiert zu haben. Mancherorts hatte man offenbar mit einer taubenhaften Überraschung der Zentralbank gerechnet, aber tatsächlich hat die EZB bei ihrer gestrigen Ratssitzung den Hauptrefinanzierungssatz bei 0 und den Einlagenzinssatz für Banken bei -0,4 Prozent belassen. Dass die sogenannte Forward Guidance, die vorausschauende Orientierung für die künftige Strategie der Geldpolitik, geändert wurde, schien den Akteuren allerdings nicht genug zu sein. Denn in ihrem Statement vermerkte die EZB, dass der derzeitige oder auch ein niedrigerer Hauptrefinanzierungssatz mindestens über das erste Halbjahr 2020 hinweg beibehalten würde.
Auch schienen die Teilnehmer an den Finanzmärkten wenig beeindruckt, als EZB-Chef Mario Draghi durchblicken ließ, dass die Ratsmitglieder eine ganze Reihe stimulierender Maßnahmen in Betracht ziehen würden: Zinssenkungen, das Festhalten an einer außergewöhnlich lockeren Geldpolitik in den kommenden Jahren bis hin zu einem weiteren Paket quantitativer Lockerungen. Aber eben nicht auf die Schnelle, sondern wahrscheinlich erst im September.
Referenzpunkt nicht erfüllt
Indes: Der Referenzpunkt der Investoren lag woanders, vor allen Dingen nach einer Reihe schlechter Wirtschaftsdaten für Deutschland. Eine Zinssenkung am gestrigen Tage wäre wohl nötig gewesen, um die Erwartungen mancherorts zufriedenzustellen. Aber hätte eine Zinssenkung für sich allein betrachtet eine echte Überraschung dargestellt, oder wäre sie denn ohne flankierende Maßnahmen sinnvoll gewesen?
Mario Draghi machte in der Pressekonferenz deutlich, dass sich der ökonomische Ausblick zunehmend verschlechtern würde und man sich hinsichtlich vieler Diskussionspunkte innerhalb des Rates angenähert habe. Auch die aktuelle Entwicklung der Inflation betrachtet der EZB-Rat mit Missfallen. Dennoch sei, so Draghi, eine sofortige Zinssenkung bei der gestrigen Sitzung nicht diskutiert worden. Offenbar will man, wie das bei wichtigen Entscheidungen innerhalb der EZB üblich ist, noch [die kommenden ökonomischen Projektionen für die September-Sitzung] abwarten. Vermutlich möchte man außerdem abwarten, welche Maßnahmen die US-Notenbank bei ihrer Sitzung in der nächsten Woche verkünden wird.
Immer noch kein Abwärtstrend
Aber nicht nur an den hiesigen Aktienmärkten hatte man offenbar mit beherzteren Maßnahmen der EZB gerechnet. Auch die Devisenhändler hatten vielfach auf einen fallenden Euro gesetzt. Aber dieser markierte mit 1,1102 nur ein marginal niedrigeres Jahrestief, bevor kurzfristig orientierte Marktteilnehmer in der Folge offenbar aus ihren Shortpositionen heraus „gesqueezed“ wurden. Damit bleibt die wichtige Unterstützung bei 1,1105 (vgl. Mindestdurchstoß-Hinweis unten) erhalten. Unterhalb davon würde pro forma ein kurzfristiger Abwärtstrend eingeleitet, dessen Potenzial zwar bis 1,1020/25 reichen könnte, aber nicht zwingend ausgeschöpft werden müsste. Das Stabilitätsniveau für den Euro senken wir nunmehr auf 1,1220/25 ab. Aufgrund der derzeitigen Konstellation der Nachfrageniveaus ist das Risiko einer Fehlentwicklung („False Break“) des Euro nach einem möglichen Versagen von 1,1105 (mit anschließender Aufwärtsbewegung) relativ hoch.
Hinweis
Alle genannten Preisniveaus verlieren ab einer bestimmten Durchstoßgröße ihre Gültigkeit. Diese beträgt für EUR/USD 10 Stellen.