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19. Februar 2014

„Die Kleinanleger müssen besser geschützt werden“, ist gerade in jüngster Zeit wieder zu hören. So forderte unlängst in der Zeit auch die Präsidentin der deutschen Finanzaufsicht (BaFin), Elke König, als Konsequenz aus der Prokon-Insolvenz eine Kennzeichnung für Anlagen und deren Risiken. Und dies möglichst simpel, am besten in Form einer Ampel. Rot würde demnach hochriskante Produkte, Gelb ein mittleres Risiko und Grün Anlagen mit relativ niedrigem Risiko signalisieren. Das klingt einfach, da ja schon jedes Kleinkind weiß, was die Ampelfarben bedeuten. Ich selbst gehörte damals zu den braven Kindern, die sich ganz bestimmt nicht bei Rot über die Straße getraut hätten, weil sie, von den Eltern nachhaltig zu Risikoaversion erzogen, um die Gefahr und die möglichen, fatalen Folgen wussten.

Angenommen, Frau Königs Risiko-Ampel hätte es schon vor einigen Jahrzehnten gegeben, ich wäre, – sofern ich mich nicht schon damals mit der Verhaltensökonomie beschäftigt hätte – genau wie viele andere Menschen auch dem Verfügbarkeitsirrtum erlegen. Weil die meisten von uns farbige und einfache Informationen gegenüber komplexen Sachverhalten bevorzugen, wären wahrscheinlich in weiten Teilen der Bevölkerung – zum Schutz des Verbrauchers – nie Aktien gekauft worden, vielleicht hätten es manche Unternehmen nie an die Börse geschafft. Und als unbedarfter Anleger hätte auch ich mich angesichts des Risikos eher den Produkten mit der grünen Ampelfarbe verschrieben, also einem Sparbuch, bei dem ich womöglich nach und nach aufgrund der negativen Realverzinsung mein Vermögen verloren hätte. Zu Recht sinnierte Claus Döring in der Ausgabe der Börsenzeitung zum vergangenen Wochenende, es hätte sich wohl mit einer solchen Ampel noch weniger Kapitalmarktkultur in Deutschland entwickelt, als es jetzt der Fall ist.

Die drei Farben einer Risikoampel vermitteln aber nicht nur dem Kleinanleger, Geldanlagen seien im Grunde eine einfache Sache, bei der man nicht weiter nachdenken muss. Nicht etwa weil die Anleger zu dumm dazu wären. Vielmehr entbindet ein derartiges Denken die Verbraucher davon, sich mit den tatsächlichen Risiken ihrer Finanzentscheidungen auseinanderzusetzen. Wobei ein ganz besonderes Risiko darin besteht, sich bei der Ampelbetrachtung automatisch seiner Chancen zu berauben. Tatsächlich geht es doch darum, das angemessene Verhältnis von Chance und Risiko einstufen zu können. Und das kann kein Automatismus sein, dafür muss man sich mit dem Geld-Thema intensiver beschäftigen (vgl. hier), als unbeirrt bei Grün über einen beampelten Zebrastreifen zu schreiten – es soll auch schon bei grünem Licht den ein oder anderen erwischt haben. Oder sind Sie noch nie von einem Fahrradfahrer, der keine Farbenlehre kennt, ums Haar über den Haufen gefahren worden?

 

Blödsinn 200-Tage-Linie

Zu den starken Vereinfachungen bei der Betrachtung von Finanzmärkten gehören auch jüngste Beiträge verschiedener Kommentatoren, die festgestellt haben, der Goldpreis sei über seinen 200-Tage-Durchschnitt geklettert, wodurch sich ein klares Kaufsignal ergeben habe. Ganz ehrlich: Ich habe dieses Signal schon viel früher erhalten, nämlich nach Überqueren der 23-Tage Linie (die soll ja noch aussagekräftiger sein), stand für mich bereits fest, dass Gold nur nach oben gehen konnte. Aber einmal Spaß beiseite. Abgesehen davon, dass gleitende Durchschnitte keine Prognosekraft besitzen, sind sie als Trendfolge-Indikator oft nicht profitabel und mit einer geringen Trefferquote ausgestattet. Aber das Überkreuzen einer 200-Tage-Linie auf einer farbigen Linienchart ist dem unbedarften Kleinanleger viel leichter vermittelbar als eine Goldhausse, die man mit fundamentalen Methoden derzeit nicht so recht erklären kann. Ohnehin möchte man die Anleger, vor allem die Fernsehzuschauer, mit schwierigen Dingen nicht gerne überfordern. „Die Kleinanleger möchten es einfach“, bekomme ich immer wieder im Vorgespräch zu einem Interview zu hören. Auch das ist eine Art von Wohlbefinden, die am Ende viel Geld kosten kann.

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Joachim Goldberg
Frankfurt am Main

Seit rund 40 Jahren beschäftigt sich Joachim Goldberg mit dem Zusammenspiel von Menschen und Märkten. Bis heute faszinieren ihn die vielen Facetten, Nuancen, Geschichten, Analysen und Hintergründe, die sich in der weißgezackten Linie auf der großen Börsenkurstafel niederschlagen. Aber erst mit der Entdeckung der psychologischen Einflüsse auf die Finanzmärkte meint der studierte Bankfachwirt und frühere Devisenhändler dem, was die Welt der Finanzen antreibt und bewegt, nahe gekommen zu sein.

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