Behavioral Living Gesellschaft

Es muss nicht gleich Fukushima sein – das Beste vom Februar

am
2. März 2012

Ich war schon etwas erstaunt, als ich in der online Ausgabe der The Japan Times vom 28. Februar las, wie sich Angestellte von Goldman Sachs Japan, die entlassen werden sollten, zu einer Art Gewerkschaft organisiert haben. Dabei hat mich nicht so sehr beschäftigt, dass diese Leute sich geweigert hatten, einen Aufhebungsvertrag zu unterschreiben, um so die strengen gesetzlichen Bestimmungen des japanischen Arbeitsrechts zu umgehen. Dies ist allgemeiner Usus und auch angesichts der Entlassungsrunden bei anderen Investmentbanken rund um die Welt keine wirkliche Überraschung. Allerdings hat mich ein Statement eines dieser Gewerkschaftsmitglieder ins Grübeln  gebracht. Denn es äußerte, Goldman Japan habe seinen Angestellten nach dem desaströsen Erdbeben des 11. März 2011 nicht erlaubt, von zuhause zu arbeiten. Immerhin soll aber denjenigen, die mit ihren Familien zusammenbleiben wollten, erlaubt worden sein, Urlaub zu nehmen, sei er bezahlt oder unbezahlt. Und wenn man den Angaben des Gewerkschaftsmitglieds Glauben schenken möchte, sei bis heute von denen, die das Angebot nach dem Erdbeben in Anspruch genommen hatten, fast niemand mehr bei Goldman beschäftigt.

Jetzt könnte man natürlich argumentieren, dass eine plötzliche Entlassung im hohen Gehalt eines Investmentbankers enthalten sei. Anders ausgedrückt: Für das viele Geld samt Bonus kann ein Arbeitgeber im Extremfall eine so genannte total dedication, einen 100-prozentigen Einsatz bei Hintanstellung jeglicher persönlicher Interessen, erwarten. Überhaupt hielt sich das Mitleid für diese Angestellten in Grenzen, wenn ich diese Geschichte in meinem Bekanntenkreis erzählte.

Trotzdem bleibt mir ein schaler Nachgeschmack, weil diese Angestellten mit ihrem Einsatz an den Unglücksorten gezeigt haben mögen, es gehe ihnen im Leben anscheinend nicht nur ums Geld. Einige von ihnen haben wahrscheinlich ihre Gesundheit für andere riskiert, sind womöglich für den Rest ihres Lebens auch noch stark verstrahlt. Danach fragt aber niemand, wenn es hart auf hart geht. Dann zählt nur der geschlossene Pakt mit dem Arbeitgeber. Und der besagt implizit, dass es Geld und Freiheit zusammen nicht geben kann. Um das zu begreifen, bedarf es nicht einmal eines Einsatzes in Fukushima. Es reicht schon, wenn man im Alltag manchmal alles stehen und liegen lassen muss. Im Zweifel auch Freunde oder den eigenen Partner.

Interessanterweise waren es im Februar vor allen Dingen die Blog-Beiträge zur sozialen Gerechtigkeit gewesen, die unsere Leser offenbar ganz besonders interessiert haben. Zum einen natürlich, wenn es wie in unserem Beitrag „Denen man nicht mehr vergibt“ um unethisches Verhalten von Bankern und Politikern geht – dieser Blog belegte den dritten Platz. Dennoch sind auch Finanzthemen nicht zu kurz gekommen, wenn man etwa den zweiten Platz betrachtet, der noch einmal den Schweizer Franken als Geschichte zwischen Hoffnung und Angstzum Thema hatte. Der meistgelesene Artikel war im Februar „Die große Pleite„, der sich mit der Veränderung der Einkommensstruktur der US-Bevölkerung und deren Folgen für das Kreditverhalten des größten Teils der Bevölkerung beschäftigte.

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Joachim Goldberg
Frankfurt am Main

Seit rund 40 Jahren beschäftigt sich Joachim Goldberg mit dem Zusammenspiel von Menschen und Märkten. Bis heute faszinieren ihn die vielen Facetten, Nuancen, Geschichten, Analysen und Hintergründe, die sich in der weißgezackten Linie auf der großen Börsenkurstafel niederschlagen. Aber erst mit der Entdeckung der psychologischen Einflüsse auf die Finanzmärkte meint der studierte Bankfachwirt und frühere Devisenhändler dem, was die Welt der Finanzen antreibt und bewegt, nahe gekommen zu sein.

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