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Es gibt keine Gerechtigkeit

am
28. März 2013

Die Karwoche war bis zuletzt in starkem Ausmaß von der Zypern-Krise, aber auch von den damit einhergehenden befürchteten Folgen für andere Staaten der Eurozone bestimmt gewesen. Dabei erstaunt mich immer wieder, wie selbst renommierte Journalisten die Nachrichten aus der Eurozone ausgesprochen negativ kommentieren – egal, was geschieht, es hat den Anschein, deren Entscheider können es nicht richtig machen. Was den Euro angeht, gibt es offenbar nichts Positives zu berichten. Als ob ein Sonderpreis für die treffsicherste Untergangsprognose vergeben würde, wann die Eurozone endlich zerbricht, ob ein Bankrun in Zypern soziale Unruhen auslösen wird. Oder, ob wir alle, womöglich über kurz oder lang selbst hierzulande, demnächst vom „Staat“ in einer Wochenendaktion mit einer 30-prozentigen Sondersteuer belegt werden. Immerhin habe ich einen wirklich lesenswerten Kommentar in der Financial Times (Alphaville, Save the Rich) von Izabella Kaminska gefunden, die ganz richtig die Frage stellt, ob jemand mit einem dicken Bankkonto und wenig anderen Anlagen reicher sei als jemand der nur über geringe Kontoguthaben und stattdessen über ein hohes Immobilienvermögen verfügt und demzufolge womöglich nicht viel mehr als seine Mieteinnahmen über sein Bankkonto laufen lässt.

 

Schuldenerlass

Auch wenn die jetzige Verfahrensweise mit Bankkonten auf Zypern mit der 100.000-Euro-Grenze eine vermeintliche Linie zwischen Arm und Reich zieht, scheint mir fraglich, ob damit tatsächlich eine Vermögensumverteilung beabsichtigt war. Immerhin geht es um einen Notfall, bei dem die ohnehin angeschlagenen Finanzen des Staates nicht noch mehr belastet werden sollen. Allerdings kann man sich sogar die Frage stellen, ob der Staat überhaupt in der Lage gewesen wäre, Einlagen bis zu 100.000 Euro zu garantieren.

Manche Menschen hierzulande verunsichert unterdessen, dass am Beispiel Zyperns sichtbar wird, wie ein Schuldenerlass, um den wir mit oder ohne Euro nicht herumkämen, praktiziert wird. Denn wenn wir heute gefragt würden: „Wer soll die Rechnung bezahlen? Du oder der Staat?“ Würden die meisten sich für den Staat entscheiden. Wobei vergessen wird, dass wir selbst der Staat sind. Und wenn die Regierung hierzulande ein Versprechen abgibt, dass die Spareinlagen sicher seien, könnte dies am Ende – wie das Beispiel Zypern im angeblichen Sonderfall zeigt – darauf hinauslaufen, dass sich Gesellschaft sich als Ganzes mit diesem Versprechen selbst versichert.  Eine Versicherung, die wir am Ende also mit unseren eigenen Guthaben bezahlen müssen.

  

Immobilien nicht das Gelbe vom Ei

Unlängst fragte mich ein Zuhörer bei einer Anlegermesse nach einer Gesprächsrunde, was denn überhaupt noch sicher sei. Denn wenn, wie das Beispiel Zypern zeigt, der Staat praktisch über das Wochenende Teile der Bankguthaben per Dekret auslöschen könne, bliebe doch nur noch die Flucht in die Sachwerte. Gold besitze er schon, und er sei sich auch im Klaren darüber, dass ein solcher Besitz im Krisenfall gesetzlich verboten werden könne. Und von Sammelobjekten wie alte Autos, Kunst oder kostbare Weine, die ebenfalls auf der Anlegermesse vorgestellt wurden, habe er zu wenig Ahnung. Ganz einmal davon abgesehen, dass diese Märkte häufig intransparent seien und die gehandelten Güter deshalb schnell mit Spannen zwischen 30 und 50 Prozent gehandelt werden könnten. Da bliebe ja doch nur noch die Immobilie. Wobei der 35-jährige Mann offensichtlich noch nichts davon gehört hatte, dass man selbst mit Immobilie nicht vor massiven staatlichen Eingriffen sicher sein kann, wie etwa eine Hauszinssteuer im Jahre 1924 oder die Lastenausgleichsabgabe nach dem Zweiten Weltkrieg zeigt.

 

Vielleicht ist es am Ende gar nicht die Angst, dass wir zahlen müssen, vielleicht ist uns dies sogar einsichtig. Es ist vielmehr die Angst, mehr als die anderen bezahlen zu müssen, die manch einen umtreibt, die Angst vor Ungerechtigkeit, weswegen man weg vom Papiergeld in die Sachwerte flieht. Oder auch nur der Wunsch am Ende etwas besser da zu stehen als die anderen.

Die Aktienanleger haben sich, wie die jüngste Stimmungsumfrage der Börse Frankfurt zeigt – ich habe sie hier kommentiert – jedenfalls auch während der vergangenen Tage von Aktien getrennt. Ob es sich dabei um eine Korrektur oder gar meine Trendwende handelt, können Sie der Detailanalyse entnehmen.

SCHLAGWÖRTER
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3 Kommentare
  1. Antworten

    ClaudiaBerlin

    28. März 2013

    Endlich mal jemand, der diesen „Kritik-Wettlauf“ kritisiert, der oft wirkt, als wünschten sich die Kommentatoren den Bankrun und jegliches Chaos herbei, das sie so plastisch an die Wand malen – während die normalen Menschen in DE zum Glück recht gelassen bleiben.

    Unter einer kleinen Presse-Schau mit Reaktionen auf die Zypern-„Rettung“, die ich in meinem Blog zusammen gestellt hatte, argumentiert nun eine Leserin mal in die andere Richtung: Haben sich nicht viele gewünscht, dass das PRIMAT DER POLITIK in dem ganzen Finanz-Casino mal wieder deutlicher würde? Und ist es nicht genau das, was hier mittels des Haircut an den Zypern-Konten der gesamten Finanzwelt ins Bewusstsein gehoben wurde? (der ganze Text hier: http://www.claudia-klinger.de/digidiary/2013/03/25/kleine-presse-und-blogschau-zur-zypern-rettung/#comment-19737).

    Auch Staaten können nur Geld ausgeben und mit Geld bürgen, für das letztlich ihre Steuerzahler gerade stehen. Und es war ja mittlerweile überdeutlich, dass weitere „Rettungen“ allein mit Steuermitteln von der Mehrheit der Bürger nicht mehr gutgeheißen wurden.

    Dennoch ist es sicherlich für manche eine ungerechte Härte, wenn eine gesetzeskonform angelegte Geldsumme, die man für “sicher” hielt, auf einmal zur Bankenrettung heran gezogen wird. Risiko-Abwägungen waren ja bisher Sache von Investoren in Aktien und Anleihen, nicht von jenen, die einfach Geld auf einem Konto ablegten. Andrerseits kann man wiederum sagen: Wer in einem Niedrigzins-Umfeld bei Banken Zinsen >4% kassierte, musste eigentlich wissen, dass dieser Zinsgewinn nur mittels riskaner Spekulationen zustande kommen konnte – wozu auch die seit Jahren leider üblich gewordene Spekulation auf Rettung durch den Steuerzahler gehört.

    Letztere ist jetzt wohl etwas eingedämmt.

  2. Antworten

    KKH

    6. Juni 2013

    Zypern hat die „100.000 Euro“ Regel eingeschaltet um die notwendigen Gelder zu bekommen. Erstaunlich ist, dass bei Griechenland die „Hilfe“ seitens Troika anders aussah. Es ist schade, dass Leute die solange ihr erspartes, versteuertes auf dem Bankkonto gelegenes Geld nochmals versteuert mussten.

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Joachim Goldberg
Frankfurt am Main

Seit rund 40 Jahren beschäftigt sich Joachim Goldberg mit dem Zusammenspiel von Menschen und Märkten. Bis heute faszinieren ihn die vielen Facetten, Nuancen, Geschichten, Analysen und Hintergründe, die sich in der weißgezackten Linie auf der großen Börsenkurstafel niederschlagen. Aber erst mit der Entdeckung der psychologischen Einflüsse auf die Finanzmärkte meint der studierte Bankfachwirt und frühere Devisenhändler dem, was die Welt der Finanzen antreibt und bewegt, nahe gekommen zu sein.

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