Märkte

Die Macht der runden Zahlen II

am
8. März 2017

Innerlich richtig zusammengezuckt bin ich heute früh beim Studium meiner Lieblings-Börsen-Zeitung, als ich als Überschrift über einem Artikel las, dass Chinas Devisenreserven über 3 Billionen Dollar gestiegen seien. Tatsächlich sind die chinesischen Fremdwährungsbestände um 6,9 Milliarden US-Dollar im Februar (zum ersten Mal seit Mitte 2016) gestiegen und haben dabei „die als marktpsychologisch wichtig“ angesehene Marke von 3 Bill. Dollar überschritten. Möglicherweise, weil nach Ansicht von Händlern der Druck auf den chinesischen Yuan nachgelassen hat. Bereits seit Frühjahr 2016 befindet sich die chinesische Währung in einem deutlichen mittelfristigen Abwärtstrend, der erst Mitte Januar dieses Jahres eine ernsthafte Korrektur erfuhr. Nicht zuletzt, weil die chinesische Zentralbank zuvor durch Interventionen einen zu starken Verfall ihrer eigenen Währung verhindern wollte.

Aber die Marktteilnehmer gehen aufgrund der im Februar gestiegenen Währungsreserven nun sogar davon aus, dass sich die Konjunktur Chinas stabilisiert hat. Wobei diese positive Entwicklung auch auf striktere Kapitalverkehrsbeschränkungen und die damit sinkenden Kapitalabflüsse zurückgeht.

 

Magische 3-Billionen-Dollar-Grenze

Dennoch glaube ich, dass der jüngste Anstieg der chinesischen Währungsreserven in Zusammenhang mit dem Überschreiten der magischen 3-Billionen-Dollar -Grenze überbewertet wird. Denn im Vergleich zu den seit Juni 2014 um umgerechnet rund 1 Billion USD gefallenen Währungsreserven Chinas, (was einem durchschnittlichen monatlichen Abfluss von fast 27 Milliarden USD entspricht), nimmt sich ein bislang temporärer Anstieg von 6 Milliarden US-Dollar eigentlich gering aus und wäre ohne Überschreiten der runden Zahl (so etwa wie im Juni 2016, als die chinesischen Reserven außer der Reihe um 14 Mrd. USD angezogen hatten) womöglich keine Schlagzeile wert gewesen.

Natürlich könnte man mit etwas gutem Willen eine Unterbrechung des starken Schrumpfungsprozesses der Währungsreserven Chinas bescheinigen, nachdem auf die starken Dezember-Abflüsse (rund 40 Mrd. USD) im Januar nur noch ein Rückgang um rund 12 Mrd. Dollar festgestellt wurde. Offen bleibt jedoch, ob die Aufwärtskorrektur des Yuan tatsächlich einer Verbesserung des konjunkturellen Umfeldes oder letztlich eben doch nur den teilweise massiven Interventionsbemühungen der Zentralbank geschuldet ist.

 

Fiskalpolitik schlägt Notenbankpolitik

Über verbesserte Wachstumsaussichten scheint es indes in den USA vordergründig eigentlich wenig Zweifel zu geben. Die hohen Erwartungen, die an einen möglichen positiven Einfluss der dortigen Fiskalpolitik gerichtet werden, scheinen derzeit für die Akteure an den Finanzmärkten sogar die Bedeutung der Zinspolitik der US-Notenbank in den Hintergrund zu drängen. Dies stellt die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) in ihrem jüngsten Quartalsbericht fest. Diese Erkenntnis ist jedoch nicht auf eine veränderte Wahrnehmung der Akteure an den Finanzmärkten zurückzuführen. Vielmehr ist die Erwartungshaltung der Investoren hinsichtlich weiterer Zinsschritte der US-Notenbank so weit festgelegt, dass selbst eine Zinserhöhung des Offenmarktausschusses bereits  am kommenden Mittwoch um 25 Basispunkte kein Marktrisiko darstellt – sie wird vielerorts fast schon mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit erwartet. Ganz im Gegensatz zu den wirtschaftspolitischen Veränderungen in den USA. Über den Zeitpunkt, wann die quantitativen und qualitativen Maßnahmen greifen sollen, ist immer noch wenig Konkretes bekannt, so dass diese Frage für Marktteilnehmer zunehmend zu einem Unsicherheitsfaktor wird. Was das für das hiesige Aktien-Sentiment bedeutet, können Sie wie immer meinem wöchentlichen Kommentar entnehmen, den ich HIER für die Börse Frankfurt erstellt habe.

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Joachim Goldberg
Frankfurt am Main

Seit rund 40 Jahren beschäftigt sich Joachim Goldberg mit dem Zusammenspiel von Menschen und Märkten. Bis heute faszinieren ihn die vielen Facetten, Nuancen, Geschichten, Analysen und Hintergründe, die sich in der weißgezackten Linie auf der großen Börsenkurstafel niederschlagen. Aber erst mit der Entdeckung der psychologischen Einflüsse auf die Finanzmärkte meint der studierte Bankfachwirt und frühere Devisenhändler dem, was die Welt der Finanzen antreibt und bewegt, nahe gekommen zu sein.

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