Cui bono?
Nein, eigentlich wollte ich mich nicht mehr über das Timing der Rating-Agenturen aufregen. Zumal ich wie viele andere Akteure (darunter auch führende Politiker) mit der Herabstufung der Kreditwürdigkeit verschiedener europäischer Staaten durch die Rating-Agentur Standard & Poor’s gerechnet hatte. Aber ich war dann doch erstaunt darüber, wie die Botschaft, dass es nun auch Frankreich „erwischt“ habe, nachdem das ja bereits vor einigen Wochen schon einmal irrtümlicherweise behauptet worden war, in den Markt gelangte: an einem Freitagnachmittag und in Form von Gerüchten. Als ob man es besonders spannend machen wollte. Denn die Teilnehmer an den Finanzmärkten mussten sich schon noch einige Zeit gedulden, bis die Rating-Agentur offiziell den Downgrade von neun europäischen Staaten bekanntgab. Man braucht wohl keinem Aktien- oder Devisenhändler erklären, wie eine derartige Meldung wirkt, wenn sie auf Märkte trifft, die am Freitagnachmittag nicht mehr besonders liquide sind. Da kann selbst ein weniger überraschendes Ereignis – der Euro gab von der Spitze immerhin 200 Stellen gegenüber dem US-Dollar an Wert ab – marktbewegend sein. Aber vielleicht finden es einige ja kleinkariert, wenn man fordert, Standard & Poor’s müsse mit einer solchen Ankündigung bis zum Börsenschluss in den USA warten oder, vor allem nach den Erfahrungen der vergangenen Monate, zumindest dafür sorgen, dass die Herabstufungsbeschlüsse nicht vorab an die Presse durchsickern.
Vielleicht stört mich indes das Timing der Rating-Agentur auch deshalb, weil den amerikanischen Analyse-Profis wohl kaum entgangen sein dürfte, dass nur einen Tag zuvor spanische und italienische Anleihen emittiert wurden, die auf eine äußerst rege Nachfrage stießen. Warum konnte man nicht beispielsweise einen Tag vor der Versteigerung dieser Staatsanleihen mit der neuen Bewertung herausrücken? Man muss ja nicht gleich, wie viele Kommentatoren meinten, von einem neuen Vertrauen der Investoren in die Sparanstrengungen Italiens und Spaniens sprechen, aber sicher hätten sich die meisten Anleger auch nach der neuen Herabstufung der neun Euroländer kaum davon abbringen lassen, einen Teil des bei der EZB auf drei Jahre zu einem Zinssatz von einem Prozent geborgten Geldes gut verzinslich in spanische oder italienische Anleihen zu investieren. Anders ausgedrückt: Die Marktteilnehmer hätten zuerst eine schlechte und dann eine gute Nachricht zu verarbeiten gehabt und wären vermutlich wohl gestimmt ins Wochenende gegangen, gleich einem Fußballverein, der gerade einen Rückstand ausgeglichen hat.
Stattdessen dürfen sich die Marktteilnehmer nun umgekehrt wie jener Trainer fühlen, dessen Klub mit einem Führungstor zumindest für eine gewisse Zeit die Abstiegszone hätte verlassen können, um dann in letzter Minute doch noch den alle Hoffnung vernichtenden Ausgleich hinnehmen zu müssen. Gerade weil die meisten Menschen negative Nachrichten schwerer bewerten als positive, hat deren Reihenfolge Einfluss darauf, ob die Gesamtsituation als gut oder schlecht empfunden wird. Zwar gehe ich nicht zwangsläufig davon aus, dass derartige Erkenntnisse aus der modernen Psychologie bis zu den Rating-Agenturen durchgedrungen sind, doch muss ich mir – ohne mich Verschwörungstheoretikern anschließen zu wollen – allerdings die Frage stellen: Cui bono? – Wem nützt das?
landbewohner
ich frage da eher: wen wunderts. es ist doch klar, wessen interessen die ratingagenturen im herrschenden finanzkrieg der wall street gegen den euro
vertreten.