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24. Januar 2021

Wer die Medienberichte der vergangenen Woche über die USA verfolgt hat, konnte tatsächlich den Eindruck gewinnen, dass mit der Vereidigung Joe Biden zum 46. Präsidenten der USA ein neues Zeitalter angebrochen sei. Die Aktienmärkte jedenfalls applaudierten auf ihre Art und warteten mit neuen Höchstständen auf. Wahrscheinlich nicht, weil Joe Bidens im Vergleich zu seinem Vorgänger Donald Trump einen menschlicheren Anstrich zu haben scheint. Vielmehr geht es an den Finanzmärkten nur um eines: Geld. Und Geld soll nun gleich am Anfang der Ära Biden reichlich fließen, sofern man an das verkündete 1,9 Billionen USD schwere Konjunkturpaket denkt. Und an ein Statement der designierten Finanzministerin Janet Yellen, dass Bedenken hinsichtlich der damit verbundenen steigenden US-Staatsverschuldung hintanzustehen hätten. Und Steuererhöhungen? Die werden irgendwann später kommen, aber eben nicht in der nahen Zukunft, so die Wahrnehmung vieler Akteure.

 

Bereits eingepreist

Während die Aktienmärkte in Feierlaune waren und selbst hierzulande einen kleinen Wochengewinn beim DAX zeitigten, ist beim Handel mit den US-Staatsanleihen merklich Ruhe eingekehrt. Während die Renditen in den ersten Tagen nach der Stichwahl in Georgia, die den Demokraten eine hauchdünne Mehrheit im US-Senat bescherte, im Vorgriff auf das Konjunkturpaket rasant nach oben zogen, ist nun etwa bei den Renditen der Anleihen mit zehnjähriger Fälligkeit die zweite Woche hintereinander jeweils ein – wenn auch winziger – Verlust zu verbuchen. Kurzum: Der starke Abverkauf der Staatsanleihen ist unterbrochen worden. Nicht zuletzt, weil nun ein deutlicher Anstieg der Kerninflation eingepreist scheint und zudem sehr wahrscheinlich ist, dass das Konjunkturpaket in der ursprünglich geplanten Höhe nicht ohne Probleme den Senat passieren wird.

 

Reich sein und reich werden

Was die Aktienmärkte angeht, sind die Blasen-Ängste in der vergangenen Woche keineswegs verschwunden. Im Gegenteil: Immer wieder verweisen Kommentatoren und Experten auf die Gefahr hin, dass die Bubble zum Platzen reif sei. Bislang ist nichts passiert, aber natürlich kann so etwas tatsächlich irgendwann geschehen, und dann wird mindestens einer der warnenden Auguren Recht bekommen. Obwohl es keinen objektiven Maßstab dafür gibt, wann eine Spekulationsblase in einem Markt vorhanden ist, ganz zu schweigen davon – und das ist entscheidend –, wann diese platzt, habe ich HIER ein wunderbares Zitat des Chef-Investmentstrategen der Bank of America vom vergangenen Donnerstag gefunden. „Es gibt zwei Arten von Investoren. Diejenigen, die reich werden wollen, und diejenigen, die reich bleiben wollen. Wenn sich diejenigen, die reich bleiben wollen, so verhalten, wie diejenigen, die es werden wollen, befinden wir uns vermutlich in einer späten Phase eines spekulativen Blow-off“, so Michael Hartnett.

 

Illusionäre Absicherung

Das Statement passt trefflich zu einer Erfahrung, die ich unlängst gemacht habe. Ein(e) durchaus eher konservative(r) Investor(in) wollte eigentlich nie etwas mit dem Bitcoin Markt zu tun haben, weil dieser „viel zu spekulativ“ und unüberschaubar sei. Bis zum Ende vorvergangener Woche. Plötzlich änderte sich, vermutlich angeregt durch die exponentiellen Kurssteigerungen der Crypto-Währung, seine/ihre Einstellung. Darüber war ich nachgerade richtig erschrocken, zumal ich bekanntlich nicht viel mit Bitcoins am Hut habe (vgl. etwa HIER). Meine Warnung, dass die digitale Bitcoin-Brieftasche, die sogenannte Wallet, gehackt werden oder, wie kürzlich zu hören war, ein verlorenes Passwort den Zugang zu gekauften Coins im Gegenwert von mehreren Millionen USD für immer verwehren könnte, wurde von meinem Gegenüber umgehend entkräftet.

Er/sie habe ein Vehikel gefunden, wie man indirekt am Bitcoin-Boom teilnehmen könne, ohne die von mir genannten Risiken eingehen zu müssen. Ich erfuhr zwar nicht, welches Vehikel gemeint war, aber ich denke, es handelt sich möglicherweise um börsennotierte handelbare Anteile am Grayscale Bitcoin Trust (GBTC)[1]. Mental mag sich ein solches Investment wie das in eine Aktie anfühlen. Eine Aktie, deren Kurs allerdings immer noch zu großen Teilen von einem hochspekulativen Investment abhängt. Wollen wir hoffen, dass alles gut geht.

Euro-Händler haben es dagegen zurzeit halb so wild, aber immerhin konnte die Gemeinschaftswährung einen kleinen Wochengewinn in Höhe von 0,7 Prozent gegenüber dem US-Dollar verbuchen. Auch wenn die Gemeinschaftswährung während der vergangenen vier Handelstage graduell steigende Tageshochs produzierte, ist sie dennoch erst oberhalb von 1,2235 und insofern auch nur halbwegs aus dem Schneider.

[1] GBTC ist der mit Abstand größte Bitcoin Trust (vgl. etwa HIER).

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Joachim Goldberg
Frankfurt am Main

Seit rund 40 Jahren beschäftigt sich Joachim Goldberg mit dem Zusammenspiel von Menschen und Märkten. Bis heute faszinieren ihn die vielen Facetten, Nuancen, Geschichten, Analysen und Hintergründe, die sich in der weißgezackten Linie auf der großen Börsenkurstafel niederschlagen. Aber erst mit der Entdeckung der psychologischen Einflüsse auf die Finanzmärkte meint der studierte Bankfachwirt und frühere Devisenhändler dem, was die Welt der Finanzen antreibt und bewegt, nahe gekommen zu sein.

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