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Auf der Suche nach Überraschungen

am
21. Juni 2017

Es gibt für die Teilnehmer an den Finanzmärkten nichts Langweiligeres als ökonomische Daten, die den Prognosen der Ökonomen entsprechen. Als ob man auf der Suche nach unnötigen Risiken wäre. Aber wir orientieren uns nun einmal bei unseren Entscheidungen an Referenzpunkten (Prognosen) und richten unser Handeln darauf aus, ob die Realität gemessen an diesen Bezugspunkten besser oder schlechter aussieht.

Nun befinden wir uns in jüngster Zeit in einer Phase extrem niedriger Volatilität an den Aktienmärkten, und die Börsianer suchen derzeit nach neuen richtungsweisenden fundamentalen Erkenntnissen, nachdem die politischen Überraschungen in diesem Jahr zu keinen großen Verwerfungen geführt haben.

Und auf dieser Suche nach ökonomischen Überraschungen bin ich (nicht zum ersten Mal) auf einen Index dieses Namens gestoßen, der unter anderem von der Citigroup (via Yardeni Research)[1] erstellt wird. Dieser Index misst, inwieweit und wie oft bestimmte ökonomische Indikatoren innerhalb eines bestimmten Zeitraums die Schätzungen übertreffen oder um wieviel und wie häufig sie niedriger als erwartet ausfallen. Und tatsächlich: Für die USA ist dieser Citigroup Economic Surprise Index unlängst auf den niedrigsten Stand seit Mitte 2011 gefallen – nur fünfmal seit Bestehen dieses Indikators im Jahre 2003 sah es noch schlechter aus. Im Gegensatz zu heute war das Handelsgeschehen im Sommer 2011 an den wichtigen Börsen erheblich volatiler, man diskutierte über den US-Schuldendeckel, und sogar eine Herabstufung der USA durch die Ratingagentur Standard & Poor‘s stand damals im Raum.

Was bedeutet dieser extreme Indexstand für heute? Dass es nur noch positive Überraschungen geben kann? Dass es um die Börsen dieser Welt ganz fürchterlich bestellt sein muss? Wohl kaum. Sicherlich wird der Index wieder auf seinen langfristigen Mittelwert von plus minus Null steigen. Aber nicht zwingend wegen positiver Überraschungen. Vielmehr ist es möglich, dass auch die Ökonomen ihre „Fehler“ korrigieren und entsprechend negativere Prognosen abgeben und sich zumindest so der historischen Realität anpassen

Ach, übrigens: Ein ähnlicher Index der Deutschen Bank zeigt für die Eurozone immer noch einen ausgesprochen positiven Wert an, der womöglich nicht mehr zu schlagen ist, so die Denkweise vieler Akteure.

 

Was indes die Börsianer hierzulande denken, können Sie meinem neuesten Kommentar, den ich regelmäßig für die Börse Frankfurt erstelle, HIER in Schriftform und HIER als Video abrufen.

 

[1] https://www.yardeni.com/pub/highfreqcb_bb.pdf

 

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Joachim Goldberg
Frankfurt am Main

Seit rund 40 Jahren beschäftigt sich Joachim Goldberg mit dem Zusammenspiel von Menschen und Märkten. Bis heute faszinieren ihn die vielen Facetten, Nuancen, Geschichten, Analysen und Hintergründe, die sich in der weißgezackten Linie auf der großen Börsenkurstafel niederschlagen. Aber erst mit der Entdeckung der psychologischen Einflüsse auf die Finanzmärkte meint der studierte Bankfachwirt und frühere Devisenhändler dem, was die Welt der Finanzen antreibt und bewegt, nahe gekommen zu sein.

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