Politik Wirtschaft

Ein Hauch von Nostalgie

am
13. Dezember 2010

„Kommt die D-Mark zu uns zurück?“ So oder ähnlich lautende Schlagzeilen konnte man am Wochenende in deutschen Tageszeitungen lesen. Und tatsächlich kommt bei vielen von uns ein Gefühl von Wehmut auf, wenn man sieht, wie 57 % der Deutschen einer Umfrage zufolge[1] glauben, Deutschland hätte besser die D-Mark behalten, als den Euro einführen sollen.

Allerdings ist diese Art von Nostalgie größtenteils auf psychologische Faktoren zurückzuführen. Natürlich gibt es gerade unter den älteren Mitbürger(inne)n noch viele Menschen, die bei ihren täglichen Käufen und Anschaffungen soeben ausgegebene Euros immer noch wie vor acht Jahren schnell im Kopf in D-Mark umrechnen. Und zwar immer dann, wenn der Beweis zu führen ist, wie teuer doch alles geworden sei. Dabei wird eines tunlichst vergessen: Seit der Einführung des Euro im Jahre 2002 und der damit verbundenen Ablösung der D-Mark, musste letztere inflationsfrei bleiben – einfach weil es sie nicht mehr gab. Wer jedoch heute einfach mal über den Daumen ausgegebene Euro mit zwei multipliziert und dann mit „früher“ vergleicht, wird natürlich eine massive Teuerung feststellen. Eine Inflationsrate, von der wir übrigens nicht wissen, ob sie die alte D-Mark nicht ebenfalls ereilt hätte. Ein Vergleich, den übrigens Amerikaner oder Engländer mit ihren jahrhundertealten Währungen kaum anstellen würden. Auch sähe niemand (wie knapp jeder Dritte von uns für den Euro[2]) das Risiko, der Dollar oder das Pfund könnten wegen regionaler wirtschaftlicher Ungleichgewichte innerhalb dieser Länder auseinanderbrechen.  

Hinzu kommt aber auch, dass der Ruf nach der D-Mark so eingängig ist, weil er im Gegensatz zu teils komplizierten, langwierigen und abstrakt wirkenden Berechnungen, die etwa ein so genannter Bailout der europäischen Peripherie kosten würde, für jedermann leicht verständlich und nachvollziehbar ist. Im Prinzip handelt es sich also um eine leicht verfügbare Information, die auf den ersten Blick so einfach ist, dass sie für genügend Diskussionsstoff an jedem Stammtisch sorgt. Deswegen haben Politiker und Experten, die sich für eine Wiedereinführung der D-Mark stark machen, so regen Zulauf. Ganz im Gegensatz zu Theoretikern, denen die meisten schon deswegen nicht über den Weg trauen, weil sie von der ganzen Materie zu wenig verstehen.


[1] ARD Deutschland Trend Dezember 2010, Infratest Dimap

[2] Vgl. Emnid für Bild am Sonntag vom 9.12.2010

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Joachim Goldberg
Frankfurt am Main

Seit rund 40 Jahren beschäftigt sich Joachim Goldberg mit dem Zusammenspiel von Menschen und Märkten. Bis heute faszinieren ihn die vielen Facetten, Nuancen, Geschichten, Analysen und Hintergründe, die sich in der weißgezackten Linie auf der großen Börsenkurstafel niederschlagen. Aber erst mit der Entdeckung der psychologischen Einflüsse auf die Finanzmärkte meint der studierte Bankfachwirt und frühere Devisenhändler dem, was die Welt der Finanzen antreibt und bewegt, nahe gekommen zu sein.

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