Gesellschaft Wirtschaft

Ausgeschaltet

am
15. Juli 2013

Ich war schon erstaunt, als unlängst unsere tägliche Dauerbeschallung für Wirtschafts- und Finanzmarktnachrichten, der TV-Sender CNBC, nicht mit Nachrichten zum Aktienmarkt, sondern mit einem fiesen Hot-Dog-Wettessen aufwartete. Nicht mal wetten konnte man darauf, wer am Ende als Sieger aus diesem fetttriefenden Wettbewerb hervorgehen würde. Aber ein Quotenbringer war dieser Kalorien-Contest ohnehin nicht, vielmehr fand ich ihn symptomatisch dafür, was ich einen Tag später zufällig im Internet zu eben diesem Sender fand.

Danach muss CNBC, dessen Anspruch immerhin „First in Business Worldwide“ zu sein ist, dramatisch an Zuschaueranteilen verloren haben. So zeigt eine Statistik der Nielsen Media Research vom Juni, dass die vierteljährlich erhobene Zahl der Zuschauer zuletzt auf den niedrigsten Stand seit dem zweiten Quartal 2005 gefallen war. Mehr noch, die wichtige Gruppe der 25-54 jährigen wies sogar den niedrigsten Quartalsstand seit 1994 aus.

Diese Zahlen haben mich ziemlich schockiert, weil ich mich selbst mit der Kombination zweier Welten, die sich derzeit in einem massiven Umbruch befinden, stark verbunden fühle. Sowohl die Medien als auch die Finanzmärkte müssen derzeit Tiefschläge einstecken. Während die Medienwelt vor allem unter dem kostenlosen Informationsüberangebot im Internet leidet, scheinen die Finanzmärkte für viele Akteure an Attraktivität verloren zu haben. Entweder weil sie möglicherweise schon seit längerer Zeit richtig schief liegen – wer möchte sich schon täglich sein Investment-Elend ansehen? – oder weil sie bei wichtigen Entwicklungen gar nicht erst dabei sind. Wenn man etwa den S&P 500 betrachtet, ist dieser seit dem Jahr 2005, also dem Zeitpunkt, zu dem CNBC zuletzt einen so niedrigen Anteil an Zuschauern wie heute hatte, immerhin um 37 Prozent gestiegen, was aber in Anbetracht der hohen Volatilität und der mehrfachen starken Einbrüchen im US-Aktienmarkt für die meisten Akteure zu wenig gewesen sein dürfte.

 

Wirtschaftsfernsehen im Teufelskreis

Und so scheint sich ein richtiger Teufelskreis zu schließen. Wirtschaftsfernsehen ist out und schreckt mögliche Werbekunden ab. Damit sinken die Erträge, und in der Folge kommt es zu drastischen Kosteneinschnitten, Entlassungen und einer schlechteren Qualität. Eine Tendenz, die es bei den Printmedien schon seit langem gibt: Eine Branche, die besonders leidensfähig scheint und mancherorts nur deswegen noch am Leben ist, weil immer wieder Menschen dazu bereit sind, journalistische Leistung zu Preisen anzubieten, die unter dem liegen, was in der Politik als Mindestlohn verhandelt wird. Und das nur, weil sie hoffen, dass eines Tages doch noch einmal bessere Zeiten kommen werden, für sie und für die Zeitungen.

Kürzlich habe ich zufällig gehört, wie jemand sagte, dass Menschen bereit seien, für drei Dinge zu bezahlen: grenzenlosen Reichtum, einen Blick in die Zukunft und Unsterblichkeit. Und die Wirtschaftsmedien haben Börsengewinne und einen Blick in die Zukunft zumindest immer wieder versprochen. Offenbar sind die möglichen Interessenten zu der Überzeugung gelangt, CNBC & Co. könnten ersteres nicht liefern. Und was die Zukunft angeht, scheinen sie deren Prognosen – trotz aller Vielfalt – weder zu mögen noch zu glauben.

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Joachim Goldberg
Frankfurt am Main

Seit rund 40 Jahren beschäftigt sich Joachim Goldberg mit dem Zusammenspiel von Menschen und Märkten. Bis heute faszinieren ihn die vielen Facetten, Nuancen, Geschichten, Analysen und Hintergründe, die sich in der weißgezackten Linie auf der großen Börsenkurstafel niederschlagen. Aber erst mit der Entdeckung der psychologischen Einflüsse auf die Finanzmärkte meint der studierte Bankfachwirt und frühere Devisenhändler dem, was die Welt der Finanzen antreibt und bewegt, nahe gekommen zu sein.

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