Märkte Wirtschaft

Day-Trader Ben Bernanke

am
11. Juli 2013

Dass die Finanzmärkte gestern Nacht auf dem völlig falschen Fuß erwischt wurden, zeigt etwa die Reaktion des US-Dollar, der innerhalb kürzester Zeit massiv an Wert verlor – allein gegenüber dem Euro entspricht dies einem Verlust vom gestrigen Tagestief bis heute gerechnet von vorübergehend mehr als 4 Prozent! –  das habe selbst ich als Devisen-Veteran schon lange nicht mehr gesehen.

Ich glaube nicht einmal, dass das Protokoll der US-Notenbank zur vergangenen Sitzung des Offenmarktausschusses (FOMC) vor drei Wochen der ursprüngliche Auslöser für diese doch massive Reaktion der Finanzmärkte gewesen ist. Denn tatsächlich stand dort gar nicht so viel Überraschendes drin. Wenn man sogar zum Protokoll auch noch dessen Anhang über die Projektionen zur wirtschaftlichen Entwicklung zurate zieht, könnte man sogar zum Schluss kommen, die Anleihekäufe hätten ursprünglich sogar viel schneller als von vielen gedacht zu Ende gebracht werden sollen.

Aber Ben Bernanke hatte offensichtlich vorgesorgt, indem er die Marktteilnehmer bei einer Konferenz des National Bureau of Economic Research wissen ließ, wie sie das Protokoll tatsächlich zu interpretieren hätten. Ich frage mich, warum wir dies erst jetzt erfahren. Wie das mit dem Tapering und den Zinsen tatsächlich gemeint war, hätte uns der Fed-Präsident doch schon im Anschluss an die Sitzung des FOMC vom 19. Juni wissen lassen können.

Natürlich könnte man jetzt einwenden, die Notenbank hätte immer schon sowohl den Tapering-Prozess als auch ihre Zinspolitik – beides betrachtet die Fed übrigens getrennt voneinander – von der Entwicklung am Arbeitsmarkt, aber auch der Inflation abhängig gemacht. Und dass der Arbeitsmarkt doch nicht so toll aussieht wie das mancher gedacht haben mag, machte Ben Bernanke spätestens gestern klar. All diejenigen, die womöglich mit Erreichen einer Arbeitslosenquote von 6,5 Prozent eine automatische Zinserhöhung verbanden, müssen sich nun getäuscht sehen.

 

Klares Kaufsignal

Und nun dürfen wir gespannt auf das Humphrey Hawkins Testimony am kommenden Mittwoch warten. Was da wohl Bernanke zu erzählen haben wird? – Ich schätze, das hängt von der Entwicklung der langfristigen Renditen und des Aktienmarkts ab. De facto hat uns Bernanke eigentlich versprochen, dass die Politik des leichten und billigen Geldes wahrscheinlich nie aufhören wird. Ja, man muss fast den Eindruck haben, der Fed-Chef sei unter die Day-Trader gegangen.

Für die Aktienmärkte bedeutet dies natürlich ein klares Kaufsignal. Ob eine daraus resultierende Aufwärtsbewegung beim  DAX allerdings nachhaltig sein wird, hängt in erster Linie davon ab, ob das langfristige Kapital, das im Juni dem Aktienmarkt nicht mehr zufloss bzw. abgezogen wurde, wieder in alter Stärke zurückkommen wird. Ansonsten möchte ich auf die gestrige Stimmungserhebung der Börse Frankfurt verweisen, die ich hier und hier (Detailanalyse) gestern analysiert und kommentiert habe.

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Joachim Goldberg
Frankfurt am Main

Seit rund 40 Jahren beschäftigt sich Joachim Goldberg mit dem Zusammenspiel von Menschen und Märkten. Bis heute faszinieren ihn die vielen Facetten, Nuancen, Geschichten, Analysen und Hintergründe, die sich in der weißgezackten Linie auf der großen Börsenkurstafel niederschlagen. Aber erst mit der Entdeckung der psychologischen Einflüsse auf die Finanzmärkte meint der studierte Bankfachwirt und frühere Devisenhändler dem, was die Welt der Finanzen antreibt und bewegt, nahe gekommen zu sein.

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