Märkte

Wann kommt der erste Flash Bounce?

am
16. Mai 2013

Wer sich in Aktien tummelt befindet sich offensichtlich im falschen Markt. Zumindest aus Sicht dessen, der bei Sotheby‘s New York Gerhard Richters Gemälde „Domplatz, Mailand“ für umgerechnet knapp 29 Millionen Euro verkaufen konnte. Aber auch vor den Preisen anderer Bilder scheinen Investoren kein Halten zu kennen, denn das teuerste Bild auf dieser Versteigerung ging letztlich für 43,8 Millionen US-Dollar über den Tisch. Obwohl damit gleich mehrere Auktions-Rekorde fielen, blieben 64 Werke liegen, aber dennoch kennt das Interesse für Sachwertanlagen offenbar keine Grenzen – hohe Renditen locken, sofern man sich für die richtigen Gemälde entschieden hat. Was aber richtig ist, entscheidet sich möglicherweise erst Jahre oder Jahrzehnte später. Und all das, was in der Zwischenzeit keine Abnehmer gefunden hat, interessiert auch nicht die Medien.

Wenig Interesse scheint es bei den Investoren derzeit auch für deutsche Aktien zu geben, wobei von Privatanlegern immer wieder die schlechten Erfahrungen der vergangenen Jahre als Hinderungsgrund für größere Engagements hierzulande ins Feld geführt werden. Derzeit sind Crash-Storys und Horrorszenarien aufgrund der DAX-Performance zwar in den Hintergrund getreten, aber die Anleger interessieren sich für jene viel mehr, als für positive Nachrichten. Erst neulich sagte mir wieder ein Bekannter, er habe ganz einfach davor Angst, der Aktienmarkt könne womöglich im Zuge eines Flash-Crashs innerhalb weniger Minuten sofort mehrere Prozent an Wert verlieren. Immerhin: Für einen Flash-Crash muss es genügend Long-Positionen geben, die man aus dem Markt herausschießen kann und die sind derzeit nicht in großem Umfang zu sehen. Vielmehr wird die Hausse von (langfristigem) ausländischem Kapital getragen. Darauf deuten auch die gestern veröffentlichten US-TIC-Daten für den März hin, wonach die monatlichen US-Käufe ausländischer Dividendenpapiere ein neues monatliches Allzeithoch erreichten.

Leider sorgt die grundsätzliche Asymmetrie zwischen Long- und Shortpositionen dafür, dass der Aktienmarkt nicht plötzlich einmal um 5 Prozentpunkte in einer Viertelstunde nach oben schießen kann, etwa weil so viele gegen den Trend halten. Schade, dass es mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht einmal zu einer richtigen Explosion zum Positiven, einem Flash Bounce kommen kann. Nein, auf dieser Seite des Aktienmarktes gab es bislang auch keine fat fingers die mal die Aktienkurse so richtig springen ließen und so bleiben uns halt nur die altbekannte Short Squeeze.

Ob uns eine solche Squeeze ins Haus steht? Zumindest möchte niemand über steigende Kurse am Aktienmarkt sprechen und freuen tut sich auch kaum jemand, wenn der DAX neue historische Höchststände markiert. Vielleicht liegt es daran, dass ich mich, im Gegensatz zu früheren Zeiten, wo ich gern und viel Taxi gefahren bin, angesichts meines kurzen Weges zum Arbeitsplatz zu häufig zu Fuß oder mit dem Fahrrad fortbewege, um Börsengeflüster überhaupt wahrnehmen zu können. Immerhin gibt es mit der Sentiment-Erhebung der Börse Frankfurt noch ein zuverlässiges Tool, wenigstens die Stimmung der institutionellen Anleger zu erfassen – mein Mitstreiter Gianni Hirschmüller hat dazu einen Kommentar (hier) verfasst, während  ich mich dieses Mal um die Analysedetails (hier) gekümmert habe.

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Joachim Goldberg
Frankfurt am Main

Seit rund 40 Jahren beschäftigt sich Joachim Goldberg mit dem Zusammenspiel von Menschen und Märkten. Bis heute faszinieren ihn die vielen Facetten, Nuancen, Geschichten, Analysen und Hintergründe, die sich in der weißgezackten Linie auf der großen Börsenkurstafel niederschlagen. Aber erst mit der Entdeckung der psychologischen Einflüsse auf die Finanzmärkte meint der studierte Bankfachwirt und frühere Devisenhändler dem, was die Welt der Finanzen antreibt und bewegt, nahe gekommen zu sein.

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