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20. August 2010

Musste kürzlich in Frankfurt am Hauptbahnhof meine Frau samt Kindern von einer Reise abholen und kam dort eine halbe Stunde zu früh an. Keine Lust, an diesem ohnehin heißen Sommertag die Zeit am Bahnsteig totzuschlagen, erinnerte ich mich meiner Bahncard First 50. Und des Bahncomfort-Programms, an dem ich teilnehme. Und so erklomm ich die Stufen zur Lounge der Deutschen Bahn.

Oben angekommen wähnte ich mich fast wie bei der Lufthansa, aber eben nur fast. Links war offenbar die Lounge für die zweite Klasse. Rechts, hinter Milchglasscheiben, konnte man die gehobenen Räumlichkeiten für Reisende der ersten Klasse erahnen. Voll der Vorfreude auf einen gemütlichen Kaffee, zückte ich meine silberne Bahncard am Counter, aber die Dame bestand auf einen Fahrschein. Ich wolle nur meine Frau am Bahnsteig abholen, erwiderte ich. „Dann  müssen sie nach links“ – „Also in die zweite Klasse?“ – „Nein, das ist keine zweite-Klasse-Lounge“ – „Was denn dann?“ Es stellte sich heraus, dass man in der Lounge der ersten Klasse am Platz bedient wird. In der zweiten darf man am Automaten anstehen. Wenn ich nur eine Fahrkarte gehabt hätte!

Eigentlich alles kein Beinbruch, wenn die kühle Blonde am Schalter beim Erklären nicht so schnippisch gewesen wäre: Sie zog einen Vergleich zwischen dem Bahnkunden und einem Vielflieger der Lufthansa, der ja auch nur in die Business-Lounge dürfe. Da müsse man schon Senator sein, um in den gehobenen Bereich zu gelangen, wurde mir beflissen erklärt. Jetzt wusste ich’s: Ich war für die Deutsche Bahn also kein Senator-Kunde!

Meinem Konter, dass ich bei der Lufthansa als Frequent Traveller und Meilensammler kein Flugticket benötige, um mich in deren Lounge niederzulassen, hatte die Dame nichts mehr entgegenzusetzen. Eisiges Schweigen und ein stierer Blick in Richtung Decke, signalisierten mir: „Hau ab!“. Ich trollte mich in die zweite Klasse und fühlte mich als First-Class-Zahler der Bahn so richtig downgegraded.

Immerhin: Ich wollte die Sache nicht auf sich bewenden lassen und fand bei der Hotline der Bahn einen verständnisvollen Mitarbeiter, der meine Gefühlslage nachvollziehen konnte. Aber die Regeln seien halt so. Sonst würde jeder Bahnkunde bei seinem Einkauf in der Frankfurter City erst einmal in der Lounge zum Kaffeetrinken halt machen.

Da wäre es mir fast lieber gewesen, die gesamte Lounge sei für Nichtreisende tabu – dann hätte man mir zumindest die mentale Degradierung erspart. Immerhin bekam ich zum Trost einen Kulanzgutschein in Höhe von 10 Euro zugeschickt, der beim nächsten Fahrkartenkauf angerechnet werden kann. Leider geht das nur am Schalter oder im Reisebüro (ich sehe mich schon Schlange stehen). Wo ich doch alles im Internet buche.

SCHLAGWÖRTER
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4 Kommentare
  1. Antworten

    C.K.

    21. August 2010

    enthält der Artikel ironische Aspekte oder nicht? Ich bin mir nicht ganz sicher. Ich hoffe doch ersteres…

    • Antworten

      Mutter

      21. August 2010

      Eigentlich ist Mutter vom Typ her schon eher ironisch. In diesem Fall war sie aber schon richtig angefressen…

  2. Antworten

    Günter Achenbach

    26. August 2010

    Gut, dass solche Geschichten auch einmal veröffentlicht werden. Es ist bestimmt kein Einzelfall wo der Nutzer oder besser: der Kunde, bei der Vielfalt von Service-Ankündigungen von Unternehmen maßlos enttäuscht wird. Ein Nachhaken in den oberen Etagen der Verursacher scheitert meistens daran, das kein Verantwortlicher den Mut hat (außer wenn das Fernsehen sich einschaltet) dem Betroffenen gegenüber Stellung zu beziehen! Quo vadis ihr Entscheidungsträger ????

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Joachim Goldberg
Frankfurt am Main

Seit rund 40 Jahren beschäftigt sich Joachim Goldberg mit dem Zusammenspiel von Menschen und Märkten. Bis heute faszinieren ihn die vielen Facetten, Nuancen, Geschichten, Analysen und Hintergründe, die sich in der weißgezackten Linie auf der großen Börsenkurstafel niederschlagen. Aber erst mit der Entdeckung der psychologischen Einflüsse auf die Finanzmärkte meint der studierte Bankfachwirt und frühere Devisenhändler dem, was die Welt der Finanzen antreibt und bewegt, nahe gekommen zu sein.

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