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Wenn Gold in einer unsicheren Welt wieder zählt

am
12. Juni 2013

Es scheint, als ob die Teilnehmer an den Finanzmärkten für viele Dinge derzeit zumindest auf den ersten Blick vielerorts keine Erklärung parat hätten. Man braucht nur einmal nach Karlsruhe zu blicken, wo man einen Spruch der Richter des Bundesverfassungsgerichts erwartet, ob die Anleihekäufe der Europäischen Zentralbank (EZB) rechtens sind. Allerdings frühestens in mehreren Monaten. Immerhin bekommt der unbefangene Zuschauer fast schon einen Show-Kampf zwischen Jörg Asmussen als Vertreter der EZB und Bundesbankpräsident Jens Weidmann geliefert. Die Rollen sind klar verteilt, je nach dem auf welcher Seite man steht – für die einen heißt es good cop gegen bad cop und für die anderen bad cop gegen good cop. Und das Verfassungsgericht ringt mit sich selbst, womöglich geht es sogar um die Überschreitung von Kompetenzen, wenn etwa heute Wolfgang Münchau in seiner neuesten Spiegel Online Kolumne darüber philosophiert, es gehe in Wahrheit darum, ob die Richter selbst ihre Grenzen zu überschreiten drohen. Ich frage mich, ob da noch alles unter Kontrolle ist.

Letztere scheint den Notenbanken etwas zu entgleiten, wenn man sieht, wie selbst in den USA die Renditen für zehnjährige Bonds sich nunmehr locker und nachhaltig oberhalb der 2-Prozent-Linie etabliert haben. Ich habe bereits an anderer Stelle darüber (hier) gemutmaßt, es gehe längst nicht mehr darum, ob und wann die US-Notenbank ihr quantitatives Liquiditätsprogramm Programm QE3 langsam zurückfährt. Auch geht es bei den gestiegenen Renditen in den USA (im Gegensatz zu Japan) nicht um erhöhte Inflationserwartungen, sondern vor allem darum, dass die Anleihekäufer die Fed nicht mehr auf ihrer Seite wähnen. Das sorgt für Unsicherheit und letztlich für mangelnde Nachfrage nach US-Staatsanleihen.

 

Wenn sich das Boot füllt

So haben wir zuletzt uns bei cognitrend intensiv mit der Frage auseinandergesetzt, welche Konsequenzen diese Entwicklung auf die Finanzmärkte haben könnte. Und nach der heutigen Stimmungserhebung der Börse Frankfurt, wo der Optimismus seit mehreren Wochen wieder angezogen hat, bin ich mir nicht mehr sicher, ob die Kraft für eine massive Aufwärtsbewegung des DAX noch ausreicht. Denn falls noch mehr Akteure mit Käufen zu niedrigeren Kursen, womöglich unter der aus heutiger Sicht billig aussehenden 8.000, zum Zuge kämen, wäre das Boot wahrscheinlich schon zu schwer, um ohne die Hilfe der langfristigen Investoren (vornehmlich aus Übersee) tatsächlich richtig Fahrt nach oben aufnehmen zu können. Mein Mitstreiter Gianni Hirschmüller hat dazu (hier) die neueste DAX-Analyse verfasst, während ich mich um die Analyse-Details (hier) gekümmert habe.

Sinkende Anleihekurse in den USA und Japan, mit der Gefahr, dass die Abwärtsbewegung nicht mehr aufgefangen werden kann, Aktienmärkte von denen man nicht weiß, ob man auf sie bei steigenden Anleiherenditen überhaupt noch setzen kann oder sie mangels Alternativen doch lieber kaufen sollte, das ist eine Frage die manchen Investor derzeit umtriebt. Zumal zumindest auf mittlere Sicht keine preisinduzierte Inflation bei Konsumgütern droht sondern der Renditeaufschlag bei US-Staatsanleihen für Unsicherheit bezahlt werden muss.  Ein Fall für Gold also? Das fällt mir schwer zu glauben, wo ich doch schon im vergangenen Jahr meine Goldbestände aufgelöst habe. Aber spätestens beim nächsten Sell-Off des gelben Metalls in ein neues Verlaufstief, vielleicht auch schon früher, werde ich wieder darüber nachdenken, ob Gold in Krisenzeiten auch ohne Inflation nicht doch eine gute Versicherung darstellt.  

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3 Kommentare
  1. Antworten

    Martin Hark

    7. Juli 2013

    Ein wirklich sehr interessanter Artikel. Ich beschäftige mich gerade auch intensiv mit dem Thema Gold! Gold wurde in so kurzer Zeit vom „beliebtesten“ zum meist „gehassten“ Investment. Immer wenn ich so etwas lese, reizt es mich noch mehr in solch Asset Klassen zu investieren. Der aktuelle Goldpreisrückgang ist charttechnisch gesund … ich befürchte sogar, dass ein bewusster Kursrückgang erfolgen musste / sollte / soll … Gold wurde im letzten Jahrzehnt einfach zu stark, beinahe kann man es als Gegenpol zum herkömmlichen Papiergeldsystem verstehen. Zur aktuellen Goldpreisentwicklung kommt der prophezeite Fed-Gelddruck-Ausstieg auch gelegen … bevor ich diese Ansage jedoch glaube, will / muss ich es erst sehen. Schlussendlich finde ich selbst, dass ein bewusster „geringer“ Prozentsatz an Edelmetallen, hier vor allem Gold, in keinem Depot fehlen sollte … sei dies auch nur als Absicherung gegen das Schlimmste – Gold muss man wie eine Versicherung sehen – man hofft ganz einfach, dass der Extremfall nicht eintritt – und wenn doch, kann man auf Gold / die Versicherung zurück greifen.

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Joachim Goldberg
Frankfurt am Main

Seit rund 40 Jahren beschäftigt sich Joachim Goldberg mit dem Zusammenspiel von Menschen und Märkten. Bis heute faszinieren ihn die vielen Facetten, Nuancen, Geschichten, Analysen und Hintergründe, die sich in der weißgezackten Linie auf der großen Börsenkurstafel niederschlagen. Aber erst mit der Entdeckung der psychologischen Einflüsse auf die Finanzmärkte meint der studierte Bankfachwirt und frühere Devisenhändler dem, was die Welt der Finanzen antreibt und bewegt, nahe gekommen zu sein.

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