Von Leitzinsen und Lieferketten
EUR USD (1,1160) Eigentlich klang es enttäuschend, als die G7-Finanzminister und Notenbanker im Anschluss an ihre Telefonkonferenz gestern nicht mehr als das Versprechen abgaben, sie würden alles Erdenkliche tun, um den durch das Covid-19 Virus bedrohten globalen Handel und das Wachstum zu unterstützen. Das klang schon eher phrasenhaft, denn die Finanzmarktteilnehmer hatten sicherlich mehr als irgendwelche leeren Absichtserklärungen erwartet. Vor allem die Idee einer konzertierten Aktion ließ sich wohl nicht durchsetzen. Aber: Erstaunlicherweise reagierten die Aktienmärkte zunächst überhaupt nicht. Und es ist wohl einzig der US-Notenbank zu verdanken, dass die Telefonkonferenz der G7 im Nachhinein zumindest mit etwas Leben gefüllt wurde.
Fed senkt Leitzins
Die Rede ist von der dann doch überraschenden, nicht turnusmäßigen Zinssenkung der US-Notenbank – die Zielzone für die Fed Funds wurde um 50 Basispunkte auf einen neuen Korridor von 1,0 bis 1,25 Prozent gesenkt. Der Beschluss des Offenmarktausschusses fiel einstimmig, und in der Pressekonferenz von Fed-Chef Jerome Powell wurde abermals deutlich, dass eine Zinssenkung nicht die Probleme der unterbrochenen globalen Lieferketten lösen werde.
Dann kam eigentlich alles wie – nicht nur von mir gestern – erwartet. Die Aktienkurse dies- und jenseits des Atlantiks machten einen kleinen Satz, um anschließend wieder deutlich zurückzufallen. „Buy the rumour, sell the fact“ eben. Im gleichen Zuge fiel die Rendite der zehnjährigen US-Treasuries, zum ersten Mal überhaupt, unter die Marke von 1 Prozent. Und vielerorts war im Anschluss an die Zinssenkung zu vernehmen, dass die Fed bei ihrer kommenden Sitzung noch einmal nachlegen müsse.
Noch nicht genug „geliefert“
Und die EZB? Immerhin stieg der Euro im Zuge der Fed-Zinssenkung über die Marke von 1,12, als ob die Händler sagen wollten, auch die EZB müsse etwas tun. Deren Chefin, Christine Lagarde, versprach gestern noch vor dem Zinsschritt der Fed, „geeignete und zielgerichtete Maßnahmen“ ergreifen zu wollen. Und mit „zielgerichtet“ sind wohl langfristige Refinanzierungsgeschäfte für Banken gemeint („TLTRO“), die ihrerseits ihre Kreditvergabe an kleine und mittlere Unternehmen ausweiten. Aber die Geldmärkte preisen derzeit auch für die kommende Woche eine Leitzinssenkung der EZB in Höhe von acht Basispunkten ein sowie eine Zinssenkung der Bank of England von 30 Basispunkten. Kurzum: Die Händler möchten noch mehr sehen, als das, was bisher von den Notenbankern „geliefert“ wurde.
Rationalität in einer irrationalen Umgebung
Aber man kann bereits heute schon konstatieren, dass es vermutlich nie genug sein wird, solange die Corona-Krise nicht ihren Höhepunkt überschritten hat. Denn bei aller Rationalität, die den Akteuren und Investoren abverlangt wird, sind es auch die Situationen, die jeder von uns derzeit erlebt, die zusätzlich verunsichern. Sei es, dass öffentliche Veranstaltungen und Messen abgesagt werden oder dass im Supermarkt das Toilettenpapier seit Tagen ausverkauft ist.
Natürlich sind vor allen Dingen und wie immer die anderen irrational. Aber ihr Verhalten hinterlässt eben doch Spuren auch bei denen, die normalerweise einen kühlen Kopf bewahren. Ohne es eigentlich zu wollen, wird man Opfer der Massenbewegung, wenn man nur ein Kilo Mehl zum Kuchenbacken benötigt und dann feststellen muss, dass die Regale im Supermarkt bereits von anderen leergeräumt wurden. Hinzu kommen die vielen dramatisch in Szene gesetzten Fernsehbilder. Auch wenn man um deren suggestive Wirkung weiß, denkt man sich dennoch: „Damit ich nicht noch einmal zu spät komme, decke ich mich „vollkommen rational“ ebenfalls ordentlich mit den lebensnotwendigen Gütern ein.“
Aber zurück zum Euro, der gestern einen Spitzenkurs von rund 1,1210 zum Dollar, praktisch auf Niveau des Schlusskurses vom Vorjahr, markierte und damit den achten Handelstag hintereinander mit einem Plus beendete. Auch wenn man sich sträuben mag, der Euro-Entwicklung den Status eines Aufwärtstrends (Potenzial 1,1450) zuzubilligen, weil die die neu entstandene Stabilität der Gemeinschaftswährung bislang noch nicht durch eine größere Gegenbewegung getestet wurde, bleibt deren bullishe Position unangetastet, solange 1,0990 nicht unterlaufen wird. Erste gute Nachfrage sollte nun im Falle eines Rücksetzers bei 1,1045 einsetzen.
Hinweis
Alle genannten Preisniveaus verlieren ab einer bestimmten Durchstoßgröße ihre Gültigkeit. Diese beträgt für EUR/USD 5 Stellen.
maria
Hallo Herr Goldberg, danke für Ihr Kommentar aber ich mache mir jetzt mehr Sorgen ob die Lebensmittel weiter geliefert werden können, das dürfte jetzt wichtiger sein als die Börsenmärkte, jetzt werden schon die Schulen und die Uni geschlossen und wann müssen die Supermärkte zu machen wegen Ansteckungsgefahr, ich hoffe, Sie haben gut für sich und Ihre Familie vorgesorgt und sende Ihnen liebe Grüße M. Lenz