Verlustbegrenzung ohne Stopp-Loss
Als ich meinen letzten Blog über Verlustbegrenzung am Aktienmarkt schrieb, konnte ich nicht ahnen, wie schnell dieses Thema Tagesaktualität gewinnen würde. Denn mittlerweile ist sogar derjenige, der etwa ein DAX-Indexzertifikat sein Eigen nennen durfte, mit einem Stopp-Loss von 10 Prozent – so er denn diszipliniert gehandelt hat – nicht mehr im Markt. Und wenn mancher Kommentator derzeit von einer Panik der Privatanleger spricht, dann zeigt dies eigentlich nur, wie sich eine Buy-and-Hold-Strategie bei einem Kurssturz des DAX von rund 20 Prozent in der Spitze anfühlen muss. Es ist immer so leicht gesagt, man müsse seine Aktien nur halten, weil sie langfristig nur steigen könnten. Wenn da unsere Psyche nicht wäre.
Über den Sinn von Verlustbegrenzung in Form von Stopp-Loss-Marken wird vermutlich schon so lange gestritten, wie es Finanzmärkte gibt. Nun habe ich immer behauptet, ich ließe in Sachen Stopp-Loss für kurz- und mittelfristige Akteure nicht mit mir reden. Dazu stehe ich auch. Obgleich die jüngste Entwicklung am Aktienmarkt wieder einmal gezeigt hat (auch ich greife mir jetzt einfach einmal ein Beispiel aus der Historie heraus) wie richtig ich mit der Bedeutung von Stopp-Loss-Marken lag, bin ich trotzdem noch einmal in mich gegangen. Denn mich fragte jemand unlängst, ob es denn unbedingt ein kursabhängiges Verlustlimit sein müsste, mit dem man in den Finanzmärkten zu Werke geht. Stopp-Loss sei doch eher etwas für kurzfristig orientierte Trader wandte er ein.
Dabei klebe nicht an irgendwelchen prozentualen Verlustlimits. Aber Anleger sollten gerade dann einen Plan haben, was zu tun ist, wenn sich die Dinge am Aktienmarkt nicht wie vorgestellt entwickeln. Vor allem, wenn sich die Verluste so schnell vollziehen, dass unser Tempo mit dem wir uns an letztere normalerweise an sie gewöhnen könnten, nicht mehr mithalten kann, fangen nämlich viele Anleger zu zweifeln an, ob Durchhalten tatsächlich die richtige Strategie sein kann. Und weil wir unsere Börsen-Umwelt, sobald wir eine Position eingegangen sind, bei Verlusten ohnehin nur noch selektiv wahrnehmen, muss ein solcher Plan vor Umsetzung einer Entscheidung festgelegt werden. Am besten schriftlich, damit man am Abend noch weiß, was man am frühen Morgen noch gedacht und gesagt hat.
Nein, es muss keine preisgebundene Verlustbegrenzung sein. Man könnte ja auch sagen, ich steige aus, wenn bestimmte Voraussetzungen, die man eigentlich für die Grundlage seiner Entscheidung ursprünglich einmal gewählt hat, nicht mehr gegeben sind. Wenn diese Kriterien jedoch nicht aus harten Zahlen, sondern etwa aus weichen Qualitätsmerkmalen einer Aktiengesellschaft bestehen, wird es aufgrund der selektiven Wahrnehmung und der mentalen Bindung an das bestehende Engagement schwierig, einigermaßen objektiv zu bleiben. Marktpreise haben einfach den Vorteil, klar und unmissverständlich zu sein. Zudem sind sie das Resultat von Angebot und Nachfrage.
Wer heute bislang ohne Notfallplan entscheiden muss, ob er angesichts der Verluste der vergangenen Woche die Notbremse ziehen sollte, kann sich als erstes folgende Frage stellen: Wäre man heute – lassen Sie dabei ihr derzeitiges Engagement einmal außer Acht (was wegen des damit verbundenen Commitments per se nicht leicht sein dürfte) – bereit, dieselbe Position mit dem jetzigen Wissen noch einmal einzugehen? Und wenn die Antwort auf diese Frage ein Nein ist, dann ist dieses Engagement schon umgehend glatt zu stellen. Alles andere wäre inkonsequent.