Verdeckte Interventionen
Ein Bericht des japanischen Finanzministeriums hat es heute ans Licht gebracht: Die Bank von Japan (BoJ) hat im vergangenen Jahr im Anschluss an ihre große Intervention vom 31. Oktober zur Schwächung des Yen an den folgenden vier Novembertagen zusätzliche Dollarkäufe durchgeführt. Im Gegensatz zur 8,07 Billionen Yen (mehr als 100 Mrd. USD!) schweren Erstintervention, wurden zusätzlich 1,02 Billionen JPY (ca. 13 Mrd. USD) verkauft. Und zwar nicht offen, sondern verdeckt – ein Umstand, der vielleicht von einigen Marktteilnehmern als Überraschung wahrgenommen worden sein mag.
Tatsächlich handelt es sich um eine Strategie, die schon seit Jahrzehnten zum Arsenal der Wechselkurspolitik einer Zentralbank gehört. Im Gegensatz zur offenen Intervention, bei der die Zentralbank direkt mit ihrem Kontrahenten handelt, tritt jene bei der verdeckten Interventionen über eine dritte Adresse (die natürlich zum Stillschweigen verpflichtet ist) mit ihren Handelspartnern in Verbindung. Wer die Bank von Japan und andere Zentralbanken aus früheren Jahren kennt, dürfte wissen, dass diese Art des Markteingriffs besonders beliebt ist, weil sie eine Notenbank weniger berechenbar macht.
Auch wenn mancherorts heute Früh darüber spekuliert wurde, die Zentralbank habe verdeckt Dollar gegen Yen gekauft, um das US-Finanzministerium wegen mangelnder Absprache nicht zu brüskieren, dürfte der Grund ein anderer gewesen sein. Denn nach der massiven Intervention vom 31. Oktober 2011, im Rahmen derer der Dollar immerhin um rund 4 JPY gestiegen war, hätte es schlecht ausgesehen, wenn die BoJ gegen den im weiteren Verlauf wieder zurückfallenden Greenback offiziell agiert hätte.
So hat sie es immerhin geschafft, dass sich der Dollar zwar nicht nachhaltig gegenüber dem Yen erholen konnte, aber immerhin drei Monate lang kein neues historisches Tief markieren musste.
Wenn man dagegen die Politik der Schweizer Nationalbank (SNB) betrachtet, bildet sie ein strategisches Gegenstück zur BoJ und lädt so geradezu zur Spekulation ein. Auch die SNB muss sich gegen eine starke Binnenwährung wehren und führte hierzu eine feste Untergrenze des Euro im Verhältnis zum Schweizer Franken ein, die sie bereit ist, mit allen Mitteln zu verteidigen. Doch ein Kursboden, der quasi garantiert wird, bildet für Euro-Käufer ein überschaubares Risikolimit. „Macht doch nichts!“, werden sogleich einige einwenden. Das sei doch gute Spekulation, weil sie dem Ziel der SNB hilft, hört man dann. Das stimmt, solange die Zentralbank zu ihrem Versprechen steht, notfalls unbegrenzt ausländische Valuten aufzukaufen. Sollte sie jenes aus irgendwelchen Gründen doch nicht einhalten können – man denke etwa nur an ein technisches Problem – hätte sie nicht nur mit einem Kapitalfluss in Richtung des sicheren Hafens „Schweiz“, sondern auch noch mit milliardenschweren Euro-Schieflagen zu kämpfen, die dann eilends glattgestellt werden müssten. Ein Problem, das die Bank von Japan nicht in gleichem Ausmaß kennen dürfte, weil sie den Yen-Händlern durch ihre geschickte, manchmal schwer durchschaubare Interventionspolitik nicht zum Mitmachen animiert. Weil sie keine begrenzten Verluste garantiert.
Halil Bahadirli
Es muss doch das Ziel einer Zentralbank sein, zweierlei zu erreichen.
1 Die Marktteilnehmer davon abzuschrecken, gegen die Zentralbank zu spekulieren.
2. Die Marktteilnehmer dazu zu bewegen, falls überhaupt, dann auf Seiten der Zentralbank zu spekulieren, anstatt gegen sie.
Wenn ein Gleichgewichtspreis ohne Zentralbankintervention beim schweizer Franken zu Aufwertungen gegenüber dem Euro führen würde, und falls man dies verhindern will, gebietet doch der gesunde Menschenverstand, die Gruppe der Gegner abzuschrecken und die Gruppe der Verbündeten zu motivieren. Und dies laesst sich mit offener Ankündigung einer Linie im Sand besser bewerkstelligen, wie der jahrelange, kostpielige und missglückte Versuch der Bank of Japan belegt.
Joachim Goldberg
Ob eine Zentralbank mit Interventionen „erfolgreich“ ist, hängt in erster Linie davon ab, ob sie die langfristigen Kapitalströme bändigen, d. h. sie ausgleichen kann. Dabei geht es in der Hauptsache nicht um spekulative Ströme, sondern um fundamentale(s) Nachfrage/Angebot (etwa die Suche nach einem sicheren Hafen (safe haven) oder massive Ströme infolge ökonomischer Ungleichgewichte) wie dies gegenwärtig beim Yen und beim Schweizer Franken der Fall ist.
Große Kapitalströme zu stoppen ist den Zentralbanken in der Vergangenheit nicht immer gelungen. Ob mit offener oder verdeckter Intervention (siehe Bank von Japan).
Allerdings kann ich mich gut an die Interventionsbänder der EWS-Währungen erinnern, die von den Zentralbanken verteidigt werden mussten und auch Spekulanten geradezu angezogen haben. Man denke nur an die vielen Abwertungen von Lira und Französischen Franken vor der Einführung des Euro oder an George Soros und die Bank von England.
Was die SNB angeht, sehe ich das nicht anders (lesen Sie hierzu bitte auch meine Blogs „Schweizer Franken zwischen Hoffnung und Angst“, „Schweizer Bluff“ oder „ein Sündenfall“).
Halil Bahadirli
Verzeihen Sie, wenn ich jetzt erst auf Ihre Anmerkungen eingehe. Ich denke der entscheidende Unterschied zwischen dem „free lunch“ den George Soros einnahm, als er gegen die Bank of England spekulierte und bei der Schweizer Nationalbank ist folgender.
Eine Zentralbank kann nicht unbegrenzt die eigene Waehrung verteidigen, weil ihr irgendwann die Devisen ausgehen würden, aber eine Zentralbank kann theoretisch drucken bis der Weihnachtsmann kommt, um die eigene Waehrung zu schwaechen. Dies bedeutet, dass beim erstenmal der „free lunch“ der Trade gegen die Zentralbank ist (Fall George Soros gegen das Pfund), beim zweitenmal mit der Zentralbank (Fall Euro-CHF).
Zwar ziehen beide Male feste Wechselkurse Spekulanten aufgrund der schiefen Verteilung von Gewinn und Chance an, aber in Faellen, wo die Zentralbank die eigene Waehrung schwach halten will, sind die Trader eher auf deren Seite, in Faellen wo die Zentralbank die eigene Waehrung verteidigen und stark halten will, auf der Gegenseite.