Trump setzt einen Anker
EUR USD (1,1180) Die Sitzung des Offenmarktausschusses der US-Notenbank (FOMC), die am Mittwochabend endete, hat einen seltsamen Nachgeschmack, ein kleines Déjà-vu hinterlassen. Auch der prominente Kommentator John Authers (Bloomberg) schrieb sinngemäß, die Märkte hätten die Fed missverstanden. Und Authers stellt richtigerweise fest, dass ein sogenanntes „non-event“ im Offenmarktausschuss zu einer vergleichsweise deutlichen Verkaufswelle im US-Aktienmarkt geführt habe. Auch der US-Dollar reagierte innerhalb von Sekunden im Vergleich zum Handelsgeschehen der vorangegangenen Tage relativ heftig. Was war geschehen?
Notenbankchef Jerome Powell und seine Kollegen hatten doch eigentlich nichts Unerwartetes getan. Vielmehr hatte sich Powell sogar ganz offensichtlich bemüht, nicht den Eindruck zu erwecken, die Fed würde irgendetwas an ihrem geldpolitischen Kurs ändern. Selbst die Senkung des Satzes für Überschusseinlagen von 2,40 auf 2,35 Prozent wollte der FOMC nicht als taubenhaftes Signal, sondern als technische Maßnahme verstanden wissen. Aber offenbar genügte bereits die Bemerkung Powells während der Pressekonferenz, die niedrige Inflation des ersten Quartals 2019 sei möglicherweise nur vorübergehender Natur. Auch sehe er keinen gewichtigen Grund dafür, sich geldpolitisch in die eine oder andere Richtung zu bewegen – schon darauf reagierten die Finanzmärkte ziemlich stark. Und das geschieht immer dann, wenn die Akteure überrascht bzw. Erwartungen enttäuscht werden.
Erwartungshaltung zu taubenhaft
Tatsächlich dürften diese Erwartungen im Vorfeld der Fed-Sitzung vielerorts recht taubenhaft geprägt gewesen sein, wie etwa die Marktschätzung, basierend auf Terminkontrakten, die implizite Wahrscheinlichkeit von mehr als 60 Prozent für mindestens eine Zinssenkung (vgl. CME FedWatch Tool), gezeigt hatte. Aber angesichts der Datenlage hatte Jerome Powell doch durchaus glaubwürdig gehandelt. Auch hat sich der FOMC nicht durch die erneuten Tiraden von US-Präsident Donald Trump beeinflussen lassen, der noch tags zuvor eine Senkung des Leitzinses um einen Prozentpunkt und eine Wiederaufnahme des Anleihekaufprogramms gefordert hatte. Dann würde die Wirtschaft wie eine Rakete abgehen, schrieb Trump in einem seiner berüchtigten Tweets. Eine Behauptung, die auf der rationalen Ebene von den meisten Akteuren nicht sonderlich ernst genommen wurde.
Auch wenn die Finanzmarktakteure genau wissen, dass die US-Notenbank unabhängig entscheiden muss, hatte sich mit den Worten Trumps in den Köpfen vieler Akteure unbemerkt ein psychologischer Anker und Referenzpunkt festgesetzt. Selbst wenn dieser Anker nicht vernünftig sein sollte, wird man ihn so leicht nicht mehr los, aber er dient oft unbewusst als Schwelle zwischen „genug“ und „unzureichend“.
Ähnliches erfuhren die Finanzmärkte übrigens vor nicht allzu langer Zeit bei der Sitzung des Offenmarktausschusses der Fed im vergangenen Dezember, als Jerome Powell zwar wie erwartet die Leitzinsen ein vorläufig letztes Mal erhöhte und mit einem taubenhaften Kommentar versah, also einen allseits erwarteten sogenannten „dovish hike“ vornahm. Auch damals hatte sich die Fed angesichts der Datenlage – Wachstum und Beschäftigung hatten sich bis dahin genauso entfaltet, wie es man es erwartet hatte – glaubwürdig verhalten und sich nicht vom lautstarken Getöse des US-Präsidenten beeinflussen lassen. Der hätte damals (wie übrigens einige Kommentatoren) am liebsten überhaupt keine Zinserhöhung gesehen. An jenem 19. Dezember 2018 zeigte der Trumpsche Anker Wirkung: Es kam zu den größten Kursverlusten an Wall Street nach einer Zinserhöhung seit mehr als zwei Jahrzehnten.
Gestern blieben größere Reaktionen beim Euro allerdings Mangelware. Immerhin schickt sich dieser nicht zuletzt auch wegen positiver US-Wirtschaftsdaten an, seinen kurzfristigen Abwärtstrend (zwischen 1,1275/80 und 1,1045/50) unterhalb von 1,1170 wieder etwas mehr Momentum zuzuführen.
Hinweis
Alle genannten Preisniveaus verlieren ab einer bestimmten Durchstoßgröße Ihre Gültigkeit. Diese beträgt für EUR/USD 10 Stellen.