Stop-Loss mit Falltür
Anscheinend lässt das Thema Verlustbegrenzung den Kommentatoren immer noch keine Ruhe. Angesichts des starken Kursverfalls beim DAX während der vergangenen Wochen ist das auch nicht weiter verwunderlich. Und so widmete auch die Frankfurter Sonntagszeitung (FAS) vom 28. August unter der Rubrik „Geld & Mehr“ dem umstrittenen Thema Verlustbegrenzung einen umfangreichen Beitrag. Mich interessierte dabei nicht die Frage, ob ein solches Werkzeug funktioniert und was es kosten könnte. Über das Ob und Wenn einer wie auch immer gearteten Verlustbegrenzung diskutiere ich sowieso nicht mehr: Sie ist für mich, um es mit Frau Merkel zu sagen, schlichtweg alternativlos.
Vielmehr wurde mir beim Lesen des Artikels bewusst, wie kostspielig manchmal Stopp-Loss-Orders sein können, wenn etwa über Nacht, zwischen Börsenschluss und Eröffnung am nächsten Tag, eine Aktie fünf Prozent ihres Wertes verlieren sollte und die Order irgendwo innerhalb dieser Spanne platziert wurde. Womit die Order oft erheblich schlechter als ursprünglich geplant ausgeführt werden würde.
Damit derlei Unheil nicht noch einmal passiert, haben die Börsianer eine neue Variante der Stopp-Loss-Order entwickelt, und zwar mit Hilfe eines so genannten Stopp-Limits. Dabei wird eine Aktie zwar verkauft, nachdem ein bestimmter Kurs unterschritten wurde, zum Beispiel mit 34 Euro oder weniger. Gleichzeitig wird aber auch ein Mindestkurs festgelegt, unterhalb dessen die Aktie nicht mehr veräußert werden darf. In unserem Beispiel liegt diese Grenze bei 30 Euro. De facto ist die Stopp-Loss-Order also nur innerhalb eines bestimmten Bandes gültig. Auf diese Weise soll verhindert werden, dass bei einer Panik das Engagement zu Schleuderkursen aufgelöst werden könnte. Der Nachteil dieser Strategie liegt jedoch auf der Hand. Denn so ein Stopp-Loss mit Limit würde nur Sinn machen, wenn die Kurse nach einer Verkaufswelle, schnell wieder ansteigen sollten.
Allerdings gab es in der Historie der Finanzmärkte genügend andere Fälle, in denen bereits deutlich vom Verlust gezeichnete Aktien noch mehr an Wert verloren und sich erst Jahre später, manchmal aber auch überhaupt nicht wieder erholten. Und das sind doch genau die Fälle, gegen die man sich im Zweifel versichert sehen möchte. Wer also einen Stopp-Loss mit Limit tatsächlich in Betracht zieht, sollte sich darüber im Klaren sein, dass er im ungünstigen Falle keine Versicherung hat, so als ob sich im scheinbar sicheren Betonboden plötzlich eine Falltür öffnete. So gesehen, ist der Preis für das gute Gefühl, womöglich nicht über den Tisch gezogen worden zu sein, zu hoch. Anders ausgedrückt: Es würde wohl wenig Sinn machen, eine Versicherung abzuschließen, die nur für die kleinen Brände aufkäme, während man, um Versicherungskosten zu sparen, etwaige große Feuersbrünste lieber selber löschen möchte, im Selbstvertrauen darauf, selbst inmitten von hochlodernden Flammen die Übersicht behalten zu können[1]. Außerdem bleibt bei diesem Konstrukt ungeklärt, was der Akteur eigentlich tun soll, nachdem das zweite Limit bei 30 Euro unterschritten wurde.
Wer derartige Absicherungen empfiehlt, unterstellt letztlich, dass der Investor im Zweifel einen Totalverlust seines Engagements verkraften kann. Wozu braucht er dann überhaupt einen Stopp-Loss?