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Spanische Eröffnung

am
28. August 2012

Nun ist es also heraus: Spaniens Regierung braucht offenbar gar nicht die 100 Milliarden Euro zur Rettung ihrer maroden Banken, die ihnen die Euro-Retter bereits in Aussicht gestellt hatten. 60 Milliarden seien genug, hat Wirtschaftsminister Luis de Guindos nach Angaben der International Herald Tribune[1] erklärt. Doch Vorsicht: Das bedeutet nicht zwangsläufig, dass sich Spaniens Bankensituation tatsächlich zum Guten gewendet hat. Aber eben auch nicht zum Schlechten. Wie ich bereits Mitte Juni in meinem Blogbeitrag Gut verkauftes Defizit  gemutmaßt hatte, war der angeblich benötigte Hilfsbetrag von 100 Milliarden Euro ohnehin viel zu hoch gegriffen. So hatte seinerzeit der IWF einen deutlich niedrigeren Betrag veranschlagt. Die Schätzungen lagen damals zwischen 40 und 80 Milliarden Euro, und der jetzt ermittelte Betrag befindet sich, oh Wunder, genau in der Mitte dieser Bandbreite, die allerdings von den meisten Menschen schon längst vergessen worden sein dürfte. Was jetzt für die Wahrnehmung zählt, ist einzig und allein der leicht zu vergegenwärtigende Referenzpunkt der ursprünglich verlautbarten 100 Milliarden Euro. Dagegen sieht ein Hilfsvolumen von „nur“ 60 Milliarden mental zwar immer noch wie ein Verlust aus, der gleichzeitig aber viel geringerer als erwartet ausgefallen ist. Mithin könnte man auch von einem relativen Gewinn sprechen.

 

Cleverer Schachzug

Ein cleverer Schachzug für die Öffentlichkeit also. 60, 80 oder 100 Milliarden: Diese Summen sind so unvorstellbar groß, dass die meisten ohnehin keinen großen Unterschied mehr zwischen diesen Beträgen machen würden. Wohl aber hätten alle erschrocken reagiert, wenn der Betrag zur Rettung spanischer Banken von den Offiziellen womöglich nachträglich noch einmal hätte aufgestockt werden müssen, weil er ursprünglich zu niedrig angesetzt worden war. Das hätten wir in unserer Wahrnehmung wie zwei separate Verluste erlebt. So aber haben wir alle das gute Gefühl, dass es nicht so schlimm gekommen ist, wie wir befürchtet haben. Aber wir sollten uns dennoch darüber im Klaren sein, dass sich im Grunde an der bedenklichen Lage Spaniens rein gar nichts geändert hat.

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Joachim Goldberg
Frankfurt am Main

Seit rund 40 Jahren beschäftigt sich Joachim Goldberg mit dem Zusammenspiel von Menschen und Märkten. Bis heute faszinieren ihn die vielen Facetten, Nuancen, Geschichten, Analysen und Hintergründe, die sich in der weißgezackten Linie auf der großen Börsenkurstafel niederschlagen. Aber erst mit der Entdeckung der psychologischen Einflüsse auf die Finanzmärkte meint der studierte Bankfachwirt und frühere Devisenhändler dem, was die Welt der Finanzen antreibt und bewegt, nahe gekommen zu sein.

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