Märkte

Sinnlose LTRO-Prognosen

am
29. Februar 2012

Nun ist das wichtigste Datum des Monats Februar endlich herausgekommen. Es handelt sich um die Höhe des Volumens der Liquiditätsoperation der EZB, genannt LTRO, am 29. Februar – die Kreditinstitute haben 529 Milliarden Euro dieses Tenders in Anspruch genommen. Obwohl eigentlich niemand so recht gewusst haben mag, was in diesem Zusammenhang eine „gute“ oder „schlechte“ Zahl ist, gab es dennoch allerhand Prognoseversuche.

Die einen erwarteten eine Inanspruchnahme des dreijährigen Tenders in Höhe von 650 Milliarden €, wobei ein deutlich geringeres Volumen angeblich schlecht für die Aktienkurse gewesen sein soll. Auf der anderen Seite erfuhr ich bei CNBC, dass ein Volumen von mehr als 750 Milliarden € ebenfalls schlecht für die Aktienmärkte, aber gut für den Goldpreis wäre. Eines hat man mit diesen Prognosen erreicht: Es sind psychologische Ankerwerte im Kampf gegen die Unsicherheit gesetzt worden. Eine Unsicherheit, mit der Finanzmarktteilnehmer offenbar nicht besonders gut umgehen können. Sonst wäre der Wunsch nach derlei Prognosen nicht so stark – Psychologen sprechen in diesem Zusammenhang gerne von einem Kontrollbedürfnis. Ein Bedürfnis, das wir übrigens bei Wirtschaftsdaten ebenfalls häufig zu spüren bekommen und das manchmal so weit geht, dass sogar unsinnige Schätzungen von Schätzungen abgegeben werden.

Was den LTRO angeht, waren die Vorhersagen, die mindestens den Rang eines wichtigen ökonomischen Datums einnahmen, eigentlich sinnlos. Denn jetzt, wo wir das Volumen kennen, sind wir keineswegs schlauer. Entscheidend ist doch, wofür die von der EZB zur Verfügung gestellte Liquidität tatsächlich verwendet wird. Ist es etwa schlecht, dass die Kreditinstitute mit dem Geld Staatsanleihen kaufen? Ist es schlecht, dass die Banken wieder vermehrt Unternehmenskredite ausleihen? Einzig wenn dieses Geld zu großen Teilen wieder bei der EZB geparkt würde, wäre dies ein dramatisches Zeichen, ein wichtiges Indiz, dass die EZB die einzige kreditwürdige Institution wäre – zugegebenermaßen ein Extremszenario.

Tatsächlich stellt das LTRO-Programm, das die EZB im Dezember vergangenen Jahres verkündet hatte, einen genialen Schachzug dar, unabhängig davon, wie viel Liquidität tatsächlich in Anspruch genommen wurde. Einzig die Laufzeit hätte noch etwas länger sein können. Denn langfristige Investitionen bedürfen auch einer langfristigen Planungssicherheit. Und deswegen erscheint es wichtig, dass die EZB frühzeitig erkennen lässt, ob sie die dreijährigen Programme verlängern wird.

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Joachim Goldberg
Frankfurt am Main

Seit rund 40 Jahren beschäftigt sich Joachim Goldberg mit dem Zusammenspiel von Menschen und Märkten. Bis heute faszinieren ihn die vielen Facetten, Nuancen, Geschichten, Analysen und Hintergründe, die sich in der weißgezackten Linie auf der großen Börsenkurstafel niederschlagen. Aber erst mit der Entdeckung der psychologischen Einflüsse auf die Finanzmärkte meint der studierte Bankfachwirt und frühere Devisenhändler dem, was die Welt der Finanzen antreibt und bewegt, nahe gekommen zu sein.

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