Dollar am Morgen Märkte

Schreckensdaten überstürzen sich

am
16. April 2020

EUR USD (1,0870)             Dass die wilden Tage an den Finanzmärkten noch längst nicht vorbei sind, wurde gestern wieder einmal eindrucksvoll bestätigt. Denn mit einem Mal schien die Risikoaversion bei vielen Akteuren zurückgekehrt. Sei es, dass die Prognose des IWF vom Dienstag dem einen oder anderen klar gemacht hatte, dass vor allem die Erholung an den Aktienmärkten dies- und jenseits des Atlantiks möglicherweise etwas zu deutlich ausgefallen sein mag. Aber hat diese Prognose tatsächlich so überrascht? Oder sei es, dass die Publizierung einiger ökonomischer Daten aus den USA den Marktteilnehmern womöglich einen Schrecken eingejagt hat. Ist den Akteuren plötzlich doch bewusst geworden, dass die Corona-Pandemie für Gesellschaft und Wirtschaft noch schlimmere Konsequenzen als bereits antizipiert haben könnte?

Extrem weite Prognosebänder reichen nicht aus

Es fällt schwer, angesichts des hohen Grundrauschens an negativen ökonomischen Berichten an einen Überraschungseffekt zu glauben. Wenn man nur einmal die gestrigen Zahlen zu den US-Einzelhandelsumsätzen des Monats März betrachtet. Ja, der Rückgang von 8,7 Prozent gegenüber dem Vormonat bedeutete nicht nur einen unrühmlichen Rekord. Vielmehr übertraf diese Zahl auch noch die Median-Erwartung der Ökonomen von -8,0 Prozent. Aber was dieser Konsens tatsächlich wert ist, zeigt die Bandbreite der Vorhersagen, die von 0 (!) bis -24 Prozent reichte.

Relativ ordentlich, aber absolut schlecht

Wenn man die Autoverkäufe herausrechnet, sieht der Rückgang der Einzelhandelsumsätze mit einem Minus von 4,5 Prozent sogar relativ ordentlich (wenn man diesen Begriff überhaupt verwenden möchte) aus – die Ökonomen berechneten hierfür ein Minus von 5,0 Prozent. Wenn man dann auch noch die Umsätze im Bereich Lebensmittel, Baumaterialien und Kraftstoffe herausrechnet, landet man schließlich bei der sogenannten Kontrollgruppe, der Kernrate der Einzelhandelsumsätze. Und die ist im März sogar (überraschend) um 1,7 Prozent gestiegen.

Wären da nicht noch andere Daten fällig gewesen, wie etwa die Zahlen zur US-Industrieproduktion, die so stark wie zuletzt vor mehr als 70 Jahren abgestürzt war. Ganz zu schweigen vom New York State Empire-Index, der für April mit -78,2 sogar noch jenseits der pessimistischsten Prognosen der Ökonomen und sogar doppelt so tief wie zum schlimmsten Zeitpunkt nach der Finanzkrise 2008 lag.

Risikoaversion belebt Dollar- Nachfrage

Kurzum: Auch wenn die Wenigsten vermutlich wissen, wie schlimm diese Daten in ihrer absoluten Aussagekraft sein mögen, bekommt man zumindest einen relativen Eindruck davon, was sich ökonomische Experten so an Dramatik vorstellen können. Angesichts der fast schon überraschend deutlich zurückgekehrten Risikoaversion der Finanzmarktteilnehmer hat der Dollar naturgemäß gestern deutlich profitiert und zeitweise innerhalb dieser einen Handelssitzung sogar fast die kompletten Kurseinbußen seit einer Woche wettgemacht. Im gleichen Zuge hat sich der Euro wieder eindrucksvoll abgeschwächt und seinen beinahe schon zum Erliegen gekommenen kurzfristigen Abwärtstrend wiederbelebt. Allerdings hat sich das Risiko der Abwärtsbewegungen durch die Entwicklung der vergangenen Handelstage zumindest kurzfristig reduziert und reicht zunächst nur noch bis 1,0675. Der Trend bleibt auf jeden Fall intakt, solange 1,1000/05 nicht mehr überwunden wird.

 

Hinweis

Alle genannten Preisniveaus verlieren ab einer bestimmten Durchstoßgröße ihre Gültigkeit. Diese beträgt für EUR/USD 5 Stellen.

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Joachim Goldberg
Frankfurt am Main

Seit rund 40 Jahren beschäftigt sich Joachim Goldberg mit dem Zusammenspiel von Menschen und Märkten. Bis heute faszinieren ihn die vielen Facetten, Nuancen, Geschichten, Analysen und Hintergründe, die sich in der weißgezackten Linie auf der großen Börsenkurstafel niederschlagen. Aber erst mit der Entdeckung der psychologischen Einflüsse auf die Finanzmärkte meint der studierte Bankfachwirt und frühere Devisenhändler dem, was die Welt der Finanzen antreibt und bewegt, nahe gekommen zu sein.

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