Märkte

Referenzpunkt James Bullard

am
30. Oktober 2014

Die Reaktion der Marktteilnehmer auf das gestrige Statement des Offenmarktausschusses der US-Notenbank (FOMC) war wieder einmal typisch gewesen. Denn die Pressemitteilung wurde per Saldo als zumindest leicht hawkish interpretiert. Obwohl bei genauem Hinsehen eigentlich gar nicht so viele falkenhafte Töne herauszulesen waren. Ja, der Arbeitsmarkt wird vom FOMC etwas positiver gesehen. Dennoch: Zinsentscheidungen sollen nicht an das Erreichen bestimmter Zielmarken der Notenbank in Hinsicht auf Vollbeschäftigung und stabile Preise gebunden sein. Vielmehr soll die Geschwindigkeit dieser Entwicklung maßgeblich dafür sein, ob man den Leitzins früher oder später als geplant erhöht.

Wenn man also daraus liest, dass eine Zinserhöhung früher als derzeit erwartet kommen werde, sofern die Fortschritte in Richtung Vollbeschäftigung und Preisstabilität groß genug sind, ist das richtig. Daraus aber ein Zugeständnis der Fed Chefin Janet Yellen an Kritiker aus den eigenen Reihen zu stricken, wie es heute etwa dem Handelsblatt online zu entnehmen ist, erscheint mir doch etwas weit hergeholt. Offenbar hat man wohl nur den ersten zweier entsprechender Sätze im Statement gelesen. Denn wenn sich der Fortschritt in Richtung der Fed-Ziele langsamer als erwartet vollzieht – und das stand im Folgesatz – wird sich der Zeitpunkt einer Zinswende in die Zukunft verschieben.

 

Entscheidungen contre cœur

Dass die Akteure womöglich ein taubenhafteres Statement erwartet haben mögen, dürfte vor allen Dingen an James Bullard gelegen haben. Der Chef der Notenbank von St. Louis hatte angesichts des Einbruchs der Aktienkurse vor zwei Wochen durchblicken lassen, man könne, wenn nötig, sogar mit neuerlichen Anleihekäufen beginnen. Verglichen mit diesem Referenzpunkt las sich das gestrige Statement des FOMC tatsächlich hawkish. Aber man sollte auch nicht vergessen, dass sich die Aktienkurse dies- und jenseits des Atlantiks mittlerweile von ihren Korrekturtiefs wieder deutlich erholt haben, womit eine verbale Stütze der Fed ohnehin nicht mehr vonnöten gewesen wäre.

Dass man das gestrige Statement vorwärts und rückwärts auf Abweichungen zum Ergebnis der vorvergangenen Sitzung des FOMC abklopft, zeigt, wie sehr die Akteure an den Finanzmärkten daran glauben, die Aktien- und Bondmärkte würden sich so bewegen, wie die Fed es sich wünscht. Und die beiläufig aussehende Ansage von James Bullard (beiläufig aussehend, weil dieser derzeit im Offenmarktausschuss nicht stimmberechtigt ist), war diesbezüglich deutlich: Mehr als zehn Prozent Korrektur im Aktienmarkt möchte die US-Notenbank offenbar nicht sehen.

Und so werden Fondsmanager und Vermögensverwalter weiterhin mit dem komischen Gefühl im Magen herumlaufen müssen, dass an den Finanzmärkten etwas nicht stimmt und Entscheidungen treffen, die ihnen contre cœur laufen.

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Joachim Goldberg
Frankfurt am Main

Seit rund 40 Jahren beschäftigt sich Joachim Goldberg mit dem Zusammenspiel von Menschen und Märkten. Bis heute faszinieren ihn die vielen Facetten, Nuancen, Geschichten, Analysen und Hintergründe, die sich in der weißgezackten Linie auf der großen Börsenkurstafel niederschlagen. Aber erst mit der Entdeckung der psychologischen Einflüsse auf die Finanzmärkte meint der studierte Bankfachwirt und frühere Devisenhändler dem, was die Welt der Finanzen antreibt und bewegt, nahe gekommen zu sein.

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