Problem US-Erholung
Es ist gerade einmal zwei Wochen her, da erregte ein Artikel im Wall Street Journal das Interesse der Akteure, weil er eine neue Spielart eines quantitativen Lockerungsprogramms à la QE3 in die Diskussion brachte. Und zwar in einer sterilisierbaren Variante. Seit vorgestern wissen wir, dass dieser Ansatz wohl ein großes Missverständnis gewesen sein soll. Zumindest wenn man dem Chef der Dallas-Fed Glauben schenken möchte. Aber Richard Fisher, ausgewiesener Zins-Falke, derzeit im Offenmarktausschuss der US-Notenbank jedoch nicht stimmberechtigt, möchte ohnehin nichts von weiteren Lockerungsprogrammen wissen. Ganz im Gegensatz zum Chef der NY-Fed, William Dudley, der unlängst zwar der US-Ökonomie eine gewisse Stabilisierung bescheinigte, allerdings bislang keine nachhaltige Erholung erkennen konnte.
Unterdessen scheinen die Akteure an den Finanzmärkten ohnehin umgedacht zu haben. Auf der einen Seite freut man sich natürlich über die sich besser als erwartet entwickelnde US-Konjunktur. Gleichzeitig sind jedoch die Hoffnungen auf ein neues Stimulus-Programm der Fed geschrumpft. Vor allem, weil sich die Zinstauben und auch Fed-Chef Ben Bernanke derzeit in Sachen QE3 bedeckt halten. Der Grund dafür liegt auf der Hand: Bei der US-Notenbank weiß man vermutlich genauso wenig wie im Markt selbst, ob die derzeitige wirtschaftliche Erholung in den USA wirklich tragfähig ist. Denn jene wird nur allzu gerne mit einem falschen Referenzpunkt verglichen: Den bis vor kurzem noch zu pessimistischen Prognosen der Ökonomen, die teils aus der Aktienmarktkorrektur vom zweiten Halbjahr 2011 resultierten. Im Vergleich dazu sind die Daten tatsächlich erheblich besser als erwartet ausgefallen. Allen voran der Arbeitsmarkt.
Gemessen an den außergewöhnlichen Maßnahmen der Notenbank, also den Billionen Dollar schweren Stimulus-Programmen, kann man die konjunkturelle Entwicklung in den USA aber noch nicht zwingend als Selbstläufer beurteilen. Mit anderen Worten: Die Notenbank muss in einem ökonomisch ausgesprochen unsicheren Umfeld entscheiden, ob sie etwa die so genannte Operation Twist Ende Juni einfach auslaufen lassen oder ein Nachfolgemodell etablieren möchte. Erstere Variante hätte geldpolitisch nicht einmal eine allzu große Auswirkung, würde aber dennoch vom Markt als eine Straffung der Geldpolitik aufgefasst. Mit der Gefahr, dass dieses Signal – und das damit verbundene hohe psychologische Commitment – womöglich zu früh gegeben würde. Damit wäre eine spätere Rückkehr zur Politik des leichten Geldes ohne einen massiven externen Schock als Grund praktisch nicht mehr möglich.
Hinzu kommt aber auch die natürliche Tendenz der Menschen, lieber am Status quo festzuhalten, als eine wichtige neue Entscheidung zu treffen. Vor allem, wenn der Erfolg der ersten Entscheidung noch nicht sichergestellt, das heißt, das Ziel (der Referenzpunkt) noch nicht erreicht ist. Ganz zu schweigen von der Reaktion der Investoren, deren Aktienkäufe der vergangenen Jahre zu einem großen Teil psychologisch motiviert waren, in der Hoffnung auf die permanente Präsenz der Notenbank als Retter der letzten Instanz. Es sind genau diese Investoren, die sich jetzt rückversichern möchten, ob die Fed noch zu diesem implizit gegebenen Versprechen steht, im Falle eines Falles für die Märkte da zu sein.