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Keine Exit-Signale

am
22. März 2012

Auf den ersten Blick könnte man fast geneigt sein, die deutliche Stimmungsverschlechterung, die die Börse Frankfurt bei ihrer wöchentlichen Umfrage für den DAX registriert hat, sei neu aufgekommenen Zweifeln über den Fortbestand der quantitativen Lockerungsprogramme in den USA zuzuschreiben.

Wer jedoch alleine die Statements des Fed-Chefs in dieser Woche verfolgt hat, muss feststellen, dass sich seine Einstellung zu quantitativen Lockerungsprogrammen (QE) wenig verändert zu haben scheint. Zum einen wies Ben Bernanke in einem Vortrag vor Studenten der George Washington University mit Blick auf die Erfahrungen der Depression der 1930er Jahre darauf hin, die Fed dürfe ihre Geldpolitik nicht zu schnell wieder straffen. Zum anderen machte er vor dem Kongress deutlich, dass höhere Energiepreise vor allem nicht nur die private Nachfrage dämpfen, sondern sich auch negativ aufs Wachstum auswirken würden. Natürlich verwies Bernanke auch auf den wahrscheinlich kurzfristigen Einfluss steigender Ölpreise auf die Inflation. An die Adresse Europas gerichtet sagte Bernanke, man müsse den Bankensektor weiter stärken, selbst wenn der Druck der Krise nachlassen sollte. Womit er gleichzeitig auch seine Hoffnung zum Ausdruck gebracht haben dürfte, dass die EZB nicht zu früh an den so genannten Exit, die Beendigung der quantitativen Lockerungen, denkt.

Auch wenn hier und da bereits jetzt schon Stimmen laut werden, man müsse hierzulande die Liquiditätsprogramme möglichst bald wieder zu Ende bringen, ist gerade die Haltung der deutschen EZB-Mitglieder hochinteressant. Zum einen ein Statement von Direktoriumsmitglied Jörg Asmussen, der offenbar die möglichen Inflationsgefahren gesehen hat, die der deutliche Anstieg der Immobilienpreise in einzelnen Regionen mit sich bringt, gleichzeitig aber betont, der Stabilitätsauftrag gelte für die gesamte Eurozone und nicht für Deutschland alleine. Wenn es jedoch derartige nationale Probleme gäbe, obliege es den jeweiligen Regierungen, sich um diese zu kümmern. Damit spielt Asmussen den Ball direkt der deutschen Regierung zu.

Wenn man dann heute Früh auch noch vernimmt, Bundesbank-Chef Jens Weidmann habe die Bundesregierung kritisiert, ihre Sparpläne seien nicht gerade ambitioniert, muss das nicht zwangsläufig einen gezielten  Affront gegen Angela Merkel bedeuten. Vielmehr zeigt sich darin, dass sowohl Asmussen als auch Weidmann die Politik in die Pflicht nehmen müssen, weil sich auf Seiten der EZB die vor drei Wochen noch einmal geöffneten Liquiditätsschleusen nicht so schnell ohne gravierende Folgen für die schwachen Mitglieder der Eurozone wieder schließen lassen.

Konsequent gedacht hieße dies: Die Politiker hierzulande müssten möglicherweise überschießende Liquidität, die sich womöglich auch in gestiegenen Immobilienpreisen einiger Regionen widerspiegelt, über Steuererhöhungen wieder abschöpfen – ein politisch schier unmögliches Unterfangen.

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Joachim Goldberg
Frankfurt am Main

Seit rund 40 Jahren beschäftigt sich Joachim Goldberg mit dem Zusammenspiel von Menschen und Märkten. Bis heute faszinieren ihn die vielen Facetten, Nuancen, Geschichten, Analysen und Hintergründe, die sich in der weißgezackten Linie auf der großen Börsenkurstafel niederschlagen. Aber erst mit der Entdeckung der psychologischen Einflüsse auf die Finanzmärkte meint der studierte Bankfachwirt und frühere Devisenhändler dem, was die Welt der Finanzen antreibt und bewegt, nahe gekommen zu sein.

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