Dollar am Morgen Märkte

Mit Durchblick handeln?

am
4. Februar 2020

EUR USD (1,1060)             Es gab gestern nicht nur einen Kommentator, der das Verhalten der Akteure an den Finanzmärkten, insbesondere den Aktienmärkten, auf den Punkt brachte: Viele Anleger sind sich ganz sicher, dass das Corona-Virus über kurz oder lang seinen Schrecken verlieren wird. Und eigentlich sei es ja klar, dass beim ersten Abebben der negativen Nachrichten die Aktienkurse dies- und jenseits des Atlantiks wieder anziehen würden, war zu vernehmen. Kurzfristig würde man gerne durch die Krise „hindurchschauen“, wenn da die Angst nicht wäre. Das mit dem „Hindurchsehen“ habe ich noch aus früheren Jahren im Ohr. Wenn es etwa mitunter von Ratsmitgliedern der EZB hieß, man müsse durch bestimmte konjunkturelle Entwicklungen „hindurchsehen“ [Wachstumsschwäche, schleppende Inflation in der Eurozone]. Entwicklungen, die sich dann doch langfristig als hartnäckiger als gedacht herausstellten.

 

„Ja, aber seien Sie vorsichtig!“

Wenn ich „durch die Krise mit Angst hindurchschauen“ in eine Art Handelstaktik übersetze, heißt das so viel wie: „Kaufen Sie Aktien, aber seien Sie vorsichtig!“ Mit einem solchen Rat kann man nichts falsch machen, da man sich im Nachhinein, sofern sich die Kaufempfehlung doch noch als schlecht herausstellt, im Zuge des beliebten „Hindsight Bias“ immer noch darauf berufen kann, man habe doch gewarnt, vorsichtig zu sein.

In diese gestrige Handelsstimmung, die sich in etwa mit: „Eigentlich will ich [Aktien] kaufen, am besten günstig“ umschreiben ließe, passt die Gleichgültigkeit hinein, mit der der fast achtprozentige Kursrückgang des chinesischen Aktienmarktes (Shanghai Composite) zur Wiedereröffnung des Handels nach dem Neujahrsfest von vielen hingenommen wurde. Der Markt dortzulande habe eben nach der 10-tägigen Pause etwas nachzuholen gehabt, so die gängige Logik.

 

Bitte um Nachsicht?

Ob es bei diesem Kurssturz bleibt? Man kann sich jetzt schon ausmalen, wie China aufgrund der Virusepidemie die USA womöglich um Nachsicht bitten wird, wenn es darum geht, die Versprechen aus dem US-chinesischen Teilabkommen („Phase-eins-Deal“) erfüllen zu müssen. Wir erinnern uns: China hatte sich verpflichtet, aus den USA in diesem und dem kommenden Jahr Waren und Dienstleistungen, Landwirtschafts- sowie Energieprodukte (Flüssiggas, Erdöl, Kohle etc.) in einem zusätzlichen Volumen von nicht weniger als 200 Mrd. USD (Basis 2017) zu importieren. Zumindest was die Energieprodukte angeht, dürfte dies in diesem Jahr nicht ganz einfach werden, denn Medienberichten aus der vergangenen Woche zufolge soll die Rohöl-Nachfrage Chinas infolge des Corona-Virus um 20 Prozent zurückgegangen sein.

 

Ermutigende Daten

Wenn es um Normalisierung geht, muss man auch die Entwicklung des US-Dollar am gestrigen Handelstag erwähnen. Denn der Greenback machte gestern zeitweise seinen relativ deutlichen Verlust vom vergangenen Freitag wieder wett. Vielleicht auch, weil der ISM-Einkaufsmanagerindex des verarbeitenden Gewerbes im Januar wieder die 50er Linie, die Schwelle zwischen wirtschaftlicher Schrumpfung und Expansion, überschritten hat. Der Wert von 50,9 lag nicht nur am oberen Ende der Erwartungen der Ökonomen. Vielmehr hat sich im gleichen Zuge die irritierend weit klaffende Lücke, die während der vergangenen Monate zum Markit-Einkaufsmanagerindex (51,9) entstanden war, auf der positiven Seite deutlich verringert. In diesem Zuge hat auch der Euro zeitweise gegenüber dem Dollar in gerade noch akzeptabler Größenordnung nachgegeben. Denn im Rahmen der größer angelegten Seitwärtsbewegung zwischen 1,0965/70 und 1,1180 würde die Gemeinschaftswährung unterhalb von 1,1030 ihre frischgewonnene Stabilität wieder einbüßen.

 

Hinweis

Alle genannten Preisniveaus verlieren ab einer bestimmten Durchstoßgröße ihre Gültigkeit. Diese beträgt für EUR/USD 5 Stellen.

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Joachim Goldberg
Frankfurt am Main

Seit rund 40 Jahren beschäftigt sich Joachim Goldberg mit dem Zusammenspiel von Menschen und Märkten. Bis heute faszinieren ihn die vielen Facetten, Nuancen, Geschichten, Analysen und Hintergründe, die sich in der weißgezackten Linie auf der großen Börsenkurstafel niederschlagen. Aber erst mit der Entdeckung der psychologischen Einflüsse auf die Finanzmärkte meint der studierte Bankfachwirt und frühere Devisenhändler dem, was die Welt der Finanzen antreibt und bewegt, nahe gekommen zu sein.

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