Hätten wir die 12.000er Marke beim DAX nicht schon einmal vor zwei Jahren gesehen, hätte das Überschreiten dieses Niveaus bei Börsianern heute für großes Entzücken gesorgt. Dennoch hat diese runde Marke, deren Bedeutung allenthalben überschätzt wird, ihren Reiz wohl doch noch nicht ganz verloren. Denn als Begründung der gestrigen Aufwärtsbewegung findet man bei den Kommentatoren nicht allzu viel Greifbares. Auch die Feststellung, der DAX habe zu einem Befreiungsschlag angesetzt, bezieht sich allenfalls auf die Entwicklung bis Mitte Februar, die bis dahin noch wie eine Seitwärtsbewegung des Börsenbarometers ausgesehen hatte.
Fehlende Begründungen und der Verweis auf technische Analysen, Aufwärtstrendkanäle und eben jene ominösen runden Zahl zeugen davon, dass die jüngste Aufwärtsbewegung Analysten und Kommentatoren überrascht hat. Tatsächlich passt einiges nicht zusammen, wenn man etwa vor ein paar Tagen im „Wall Street Journal“ lesen konnte, dass die Planungen der Trump-Administration für das Budget auf Annahmen basieren sollen, die die Entwicklung des US-Wachstums in den kommenden Jahren weit positiver sehen als viele unabhängige Experten, aber auch einige öffentliche Behörden.
Überzogene Wachstumsaussichten
Im Gegensatz zu manchen Wahl-Versprechen, die Donald Trump möglichst schnell zu erfüllen versucht, dringen aus dem Weißen Haus kaum Details über die geplanten großen ökonomischen Vorhaben des neuen US-Präsidenten. Wenig Konkretes gibt es über das, was etwa auf Obamacare folgen soll, oder über massive Investments in die Infrastruktur oder über die große Steuerreform zu hören. Dennoch zeigen sich besonders die US-Aktienmärkte von ihrer Schokoladenseite.
In diesem Zusammenhang spielen Wachstumsvorhersagen – diese werden im Vorfeld vom überparteilichen Council of Economic Advisers (CEA) erarbeitet – insofern eine wichtige Rolle, weil sie als Basis der Budgetvorlage des Weißen Hauses im Kongress dienen. Normalerweise geben dabei die Mitarbeiter des CEA eine Wachstumsprognose unter den gegebenen politischen Rahmenbedingungen ab. Diese gilt als Grundlage für die Vorhersage, wie sich die Maßnahmen des Präsidenten auf die Konjunktur, aber auch auf die Haushaltsdefizite auswirken werden.
Naturgemäß sind diese Prognosen immer etwas zu optimistisch, aber sie sollten dennoch realistisch bleiben. Angeblich soll Trumps Transition Team[1] aber die CEA gedrängt haben, ein Wachstum zwischen 3 und 3,5 Prozent zu prognostizieren und danach auch noch nachträglich ihre Modelle so anzupassen, dass die anderen Daten diese Wachstumsraten auch gewährleisteten[2]. Folge: Sind die Wachstumsschätzungen zu hoch, fallen die Einschätzungen zur Verschuldungssituation naturgemäß zu günstig aus.
Tatsächlich ist das inflationsbereinigte Wachstum in den vergangenen zehn Jahren um knapp 2 Prozent gestiegen, und die US-Notenbank prognostiziert derzeit lediglich ein langfristiges Wachstum von 1,8 Prozent pro Jahr, das überparteiliche Congressional Budget Office (CBO) geht von 1,9 Prozent aus. Ja, selbst die Obergrenze extrem optimistischer Vorhersagen liegt für ein anhaltendes Wachstum bislang bei nur 2,75 Prozent.
Es gibt jedoch keine gesicherten Erkenntnisse darüber, ob die hiesigen Börsianer von zu optimistischen Wachstumsprognosen für die US-Wirtschaft in ihren Handelsentscheidungen beeinflusst wurden. Ob sich ihr Optimismus aus der Vorwoche tatsächlich gehalten hat, erfahren Sie HIER in meiner heutigen Analyse, die ich wie immer für die Börse Frankfurt erstellt habe.
[1] Das ist das für die Übergangsphase von einer zu nächsten Regierung zuständige Team
[2] Gelesen in der Washington Post, online Ausgabe vom 22. Februar 2017