Märkte

Leichtfertig aufs Spiel gesetzt

am
8. April 2015

Man kann zu den Staatsanleihekäufen der Europäischen Zentralbank stehen wie man will – dennoch hat mich ein Interview mit Yves Mersch in der heutigen Ausgabe der Börsenzeitung irritiert. Denn das EZB-Direktoriumsmitglied warnte vor einem „Überziehen bei Staatsanleihekäufen“, obwohl die EZB erst im Januar den Beschluss gefasst hatte, ein quantitatives Lockerungsprogramm (QE) zur Ankurbelung der Inflation zu initiieren. Obgleich die Anleihekäufe erst im März begonnen haben und bislang planmäßig durchgeführt wurden, verweist Mersch auf die verbesserte Stimmungslage in der Wirtschaft. Natürlich nicht, ohne hinzuzufügen, dass sich diese positive Entwicklung nicht alleine dem QE-Programm verdankt. Tatsächlich kann dieses Programm per se auch keinen direkten Einfluss auf das besser als erwartet ausgefallene Wachstum der Wirtschaft in der Eurozone Ende 2014 gehabt haben. Auch nicht auf die Inflationsrate, die überraschenderweise von -0,6 auf -0,1 Prozent gestiegen ist.

Tatsächlich beruht die positive Konjunkturstimmung überwiegend auf einem psychologischen Effekt, der bereits einsetzte, als Ende 2014 die Hoffnung auf ein QE-Programm der EZB aufkeimte.

Wenn Yves Mersch jedoch jetzt darauf dringt dass der QE-Plan überdacht werden müsse, falls die Inflationsentwicklung günstiger als erwartet verläuft, steht dies nicht nur im Widerspruch zu den Aussagen von EZB-Präsident Mario Draghi. Dieser hatte erst vor kurzem erneut bekräftigt, das QE-Programm werde bis September 2016 durchgezogen. Zumal die Inflationsprognosen für 2017 darauf beruhten.

Vielmehr erweist sich die durchaus gerade hierzulande nachvollziehbare Andeutung, die EZB könne sich im Falle eines früher als erwartet erreichten Inflationsziels flexibel gegenüber einmal beschlossenen Maßnahmen verhalten, als allzu vorschnell und leichtfertig. Denn der psychologische Effekt – die einzige Wirkung übrigens, die ich bislang als greifbare Folge des QE-Programm erkennen kann –, auf den sich der positive Konjunkturschub im letzten Quartal des vergangenen Jahres gründet, ist mit derartigen Warnungen und einer damit einhergehenden Relativierung des EZB-Commitments in Gefahr.

Dies mag auch ein weiterer gewichtiger Grund dafür sein, dass heute so viele Warnungen vor einem Aktien-Crash zu vernehmen sind. Denn der Aufwärtstrend des DAX und der europäischen Aktienmärkte beruht auf eben dieser Hoffnung, dass die quantitativen Lockerungsmaßnahmen noch recht lange andauern mögen. Diese Hoffnung hat auch die Stimmung der Börsianer hierzulande beflügelt, alles weitere dazu können Sie wie an jedem Mittwoch HIER nachlesen.

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Joachim Goldberg
Frankfurt am Main

Seit rund 40 Jahren beschäftigt sich Joachim Goldberg mit dem Zusammenspiel von Menschen und Märkten. Bis heute faszinieren ihn die vielen Facetten, Nuancen, Geschichten, Analysen und Hintergründe, die sich in der weißgezackten Linie auf der großen Börsenkurstafel niederschlagen. Aber erst mit der Entdeckung der psychologischen Einflüsse auf die Finanzmärkte meint der studierte Bankfachwirt und frühere Devisenhändler dem, was die Welt der Finanzen antreibt und bewegt, nahe gekommen zu sein.

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