Dollar am Morgen Märkte

Latente Euroschwäche

am
23. Januar 2020

EUR USD (1,1085)             Die gestrigen Schlagzeilen wurden abermals nicht an den Devisenmärkten, sondern in Davos und am deutschen Aktienmarkt gemacht, wo der heimische DAX endlich ein neues Allzeithoch produzierte – der letzte Rekordstand des Börsenbarometers liegt immerhin fast zwei Jahre zurück. Doch kaum hatten die Akteure das bislang unerkundete Kurs-Terrain „betreten“, bewegten sie sich schon wieder rückwärts. Als ob man eine Hand kurz in heißes Wasser gehalten und dann sofort wieder herausgezogen hätte – jedenfalls wurde der Tagesgewinn des DAX mehr als zunichte gemacht.

So hat es den Anschein, als wollten institutionelle Anleger nicht auf die Hausse aufspringen. Stattdessen vermittelt die gestrige Umfrage der Börse Frankfurt, die ich HIER kommentiert habe, eher den Eindruck einer unterkühlten Stimmung bei den institutionellen Marktteilnehmern. Kurzum: Kein Zeichen der Euphorie war erkennbar, vielleicht weil einem gut Teil der Befragten die Hausse am Aktienmarkt spanisch vorkommen mag und nur einer ganz geringen Mehrheit in den Kram passt.

 

Trump droht

Eine Ursache für den gestrigen Tagesverlust des DAX mag womöglich auf Davos zurückzuführen sein, wo der zweite Tag des Weltwirtschaftsforums absolviert wurde und sich überdies Donald Trump noch einmal zu Wort meldete. Der US-Präsident geht nämlich davon aus, dass es noch vor dem US-Wahltermin im November den Abschluss eines Handelsabkommens mit der EU geben wird. Sollte kein Deal zustande kommen, sind – und Trump wurde gestern damit zitiert – als Folge Strafzölle in Höhe von 25 Prozent auf US-Kraftfahrzeugimporte aus der EU fällig.

Schließlich sprach sich Trump auch noch für einen starken Dollar aus. Ja, er wolle, dass der Dollar „great“ sei. Um dann gleich das Gegenargument zu einem festen Dollar, einen Seitenhieb in Richtung US-Notenbank, zu platzieren: Die Zinsen in den USA müssten niedriger sein.

 

Dollar für überbewertet gehalten

Womit ich noch einmal auf die vorgestern publizierte BofA Merrill Lynch-Umfrage zurückkommen möchte, derzufolge netto 53 Prozent der befragten internationalen Fondsmanager[1] den Dollar für überbewertet halten. Dabei handelt es sich übrigens um den zweithöchsten Wert, der seit dem Jahr 2002 in der Umfrage ermittelt wurde. Hinter diesem von vielen Fondsmanagern für überbewertet gehaltenen Dollar könnten sich möglicherweise signifikante Short-Positionen in US-Dollar verbergen. Oder im Umkehrschluss entsprechend Long-Positionen in Euro. Long-Positionen, die sich auch darin ausdrücken können, dass internationale Fondsmanager ihre Engagements in der Eurozone derzeit überwiegend nicht gegen Abwärtsbewegungen absichern. Engagements, die in der per 16. Januar endenden Umfrage vor allem in Aktien bestehen dürften. Denn immerhin netto 27 Prozent der Vermögensverwalter gaben an, in europäischen Aktien übergewichtet zu sein.

Damit ergibt sich – vor allem, wenn die Gemeinschaftswährung die Unterseite der derzeitigen „Komfortzone“, die wir zwischen 1,0980 und 1,1175/80 verorten, durchschlagen sollte – zusätzlicher Druck auf den Euro. Vorerst bleibt dieser, solange die Obergrenze dieser Zone nicht überwunden wird, lediglich leicht angeschlagen.

 

Hinweis

Alle genannten Preisniveaus verlieren ab einer bestimmten Durchstoßgröße ihre Gültigkeit. Diese beträgt für EUR/USD 5 Stellen.

 

[1] „Netto“ bedeutet die Differenz, die sich aus den Fondsmanagern ergibt, die den Greenback für überbewertet halten abzüglich derjenigen die das nicht glauben

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Joachim Goldberg
Frankfurt am Main

Seit rund 40 Jahren beschäftigt sich Joachim Goldberg mit dem Zusammenspiel von Menschen und Märkten. Bis heute faszinieren ihn die vielen Facetten, Nuancen, Geschichten, Analysen und Hintergründe, die sich in der weißgezackten Linie auf der großen Börsenkurstafel niederschlagen. Aber erst mit der Entdeckung der psychologischen Einflüsse auf die Finanzmärkte meint der studierte Bankfachwirt und frühere Devisenhändler dem, was die Welt der Finanzen antreibt und bewegt, nahe gekommen zu sein.

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