Märkte Politik

Kurze Flitterwochen

am
27. September 2012

So schnell kann also ein Honeymoon vorbei sein, wie man am Beispiel der konzertierten quantitativen Lockerungsmaßnahmen der großen Zentralbanken EZB, Fed und BoJ und der damit verbundenen, rasch verflogenen Euphorie der Investoren sehen kann. Denn unter den Akteuren an den Finanzmärkten hat sich das Sentiment wieder deutlich verschlechtert. Dies mag nicht nur an den Bildern liegen, die wir aus Spanien und Griechenland derzeit in den Fernsehprogrammen geliefert bekommen. Bilder, die wir übrigens nicht zum ersten Mal sehen, die aber ihre Wirkung beim Betrachter keinesfalls verfehlen – sie sind aufgrund ihrer Dramatik leicht verfügbar und werden daher anderen Informationen gegenüber bevorzugt wahrgenommen. So kann man sich durchaus vorstellen, was im Kopf einer interviewten griechischen Polizeibeamtin vorgehen mag, die gegen ihre eigenen Landsleute – die sie übrigens im Recht sieht – vorzugehen verpflichtet ist. Dabei ist gar nicht einmal der Hungerlohn von weniger als 600€ pro Monat das entscheidende Moment, weswegen man sich leicht vorzustellen kann, dass Polizeibeamte eines Tages nur halbherzig gegen die Streiks des eigenen Volk vorgehen und sich am Ende womöglich auch noch auf deren Seite stellen könnten.

 

EZB-Vorlage bleibt politisch ungenutzt

Mindestens so dramatisch sehe ich, dass die politischen Entscheider in der Eurozone die Vorlage, die die EZB mit der Ankündigung von unlimitierten Anleihekäufen im Rahmen ihres Mandates gegeben hat, abermals nicht nutzen. Nicht nur weil Spaniens Ministerpräsident Mariano Rajoy von den immer (noch) niedrigen Zinsen zu profitieren scheinen möchte und sich daher Zeit lässt, die Hilfe des Rettungsschirms in Anspruch zu nehmen. Vielmehr wird auch bei den Kernländern der Eurozone versucht, hier und da nachzuverhandeln oder früher gemachte Versprechen infrage zu stellen. Und so bleibt nicht nur bei den internationalen Investoren der Eindruck, sobald die EZB der Politik auch nur ein bisschen Erleichterung verschafft, diese den ihr zu gespielten Ball nicht aufnehmen will, sondern den so geschaffenen Vorteil mit Nichtstun vertändelt, bis er ihnen von den Marktteilnehmern abgenommen wird. Was sich etwa im gestrigen Renditesprung für zehnjährige spanische Staatsanleihen über 6 Prozent niederschlägt. Wollen wir hoffen, dass das internationale Kapital, das während der vergangenen Wochen in deutsche und europäische Aktien geflossen ist, durch die jüngsten Ereignisse nicht schon wieder aufgeschreckt wird.

 

Man spricht schon von QEternity

Aber auch in den USA ist die jüngste Lockerungsansage der Fed nicht nur mit Wohlwollen aufgenommen worden. Vielmehr ist man sich in der Notenbank selbst über die Wirkung von QEternity, wie mancher Kommentator das neueste Programm liebevoll bezeichnet, alles andere als einig. Wenn dann auch noch der Chef der Chicago-Fed, Charles Evans, sich dafür ausspricht, die Fortdauer der Lockerungen an bestimmten ökonomischen Eckdaten festzumachen, hat man fast schon den Verdacht, jener wolle sich auf diese Weise eine möglicherweise unbewusst verloren gegangene psychische Kontrolle wieder zurückholen: Das Programm soll laufen, solange der mittelfristige Inflationsausblick unter 3 Prozent und die Arbeitslosenquote über 7 Prozent bleibt. Das Dumme daran ist nur, dass man derzeit überhaupt nicht sagen kann, ob die quantitativen Lockerungsprogramme sich überhaupt auf die Beschäftigung auswirken.

Zumindest bei den mittelfristigen Anlegern hierzulande hat sich die Stimmung unterdessen nachweislich noch einmal deutlich verschlechtert, wie die jüngste Sentimenterhebung der Börse Frankfurt zeigt. Welche Auswirkungen dies auf den DAX haben kann und ob die Aktien die gestrige Korrektur fortsetzen werden, kommentierte mein Kollege Gianni Hirschmüller an dieser Stelle – meine Analyse zur erweiterten DAX -Befragung finden Sie hier.

SCHLAGWÖRTER

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Joachim Goldberg
Frankfurt am Main

Seit rund 40 Jahren beschäftigt sich Joachim Goldberg mit dem Zusammenspiel von Menschen und Märkten. Bis heute faszinieren ihn die vielen Facetten, Nuancen, Geschichten, Analysen und Hintergründe, die sich in der weißgezackten Linie auf der großen Börsenkurstafel niederschlagen. Aber erst mit der Entdeckung der psychologischen Einflüsse auf die Finanzmärkte meint der studierte Bankfachwirt und frühere Devisenhändler dem, was die Welt der Finanzen antreibt und bewegt, nahe gekommen zu sein.

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