Kronberger Offsite mit Nebenwirkungen
EUR USD (1,1015) Es schien gestern noch einmal ein ausgesprochen langweiliger Handelstag zu werden – so war jedenfalls unser Eindruck auf den ersten Blick. Wichtige ökonomische Daten standen nicht auf der Agenda, und der ifo-Geschäftsklima-Index für Deutschland bot – gemessen an den Erwartungen der Ökonomen – nicht mehr als einen Anlass zu seiner puren Erwähnung. Ja, der Index ist um 0,3 Punkte gegenüber dem Vormonat gestiegen, liegt aber mit 95,0 nicht einmal einen Punkt über dem Jahrestief vom August (94,3). Da scheint es mir schon sehr optimistisch, die Zahl von gestern, wie mancherorts geschehen, als Stimmungsaufheller gegen bedrückende Rezessionsängste oder gar als Trendwende für die anhaltend schlechte Situation beim verarbeitenden Gewerbe in Deutschland zu interpretieren. Immerhin: Das Weihnachtsgeschäft steht vor der Tür, und auf die heimische Nachfrage war bisher stets Verlass.
Selektiver Konsens
Eigentlich kann man es nicht mehr hören, wenn es Nachrichten zum Handelskonflikt gibt. Gestern waren es wieder einmal positive Meldungen, wonach die USA und China der chinesischen Global Times zufolge im Prinzip einen breiten Konsens für das Teilabkommen „Phase eins“ erzielt hätten. Dennoch gibt es natürlich mittlerweile jede Menge Marktteilnehmer, die hinter solchen Meldungen nicht viel mehr als heiße Luft sehen, weil bei aller Übereinkunft ein Schlüsselproblem wahrscheinlich immer noch nicht gelöst ist: Die nach wie vor offene Frage, inwieweit die Strafzölle seitens der USA konkret beseitigt werden. Gefühlt scheinen jedoch vor allen Dingen die Aktienmärkte jenseits des Atlantiks positive Nachrichten vom Handelskonflikt stärker als skeptische Informationen zu bewerten.
Entscheidungsprozesse auf dem Prüfstand
Von den Akteuren an den Finanzmärkten wenig beachtet wurde bislang dagegen ein wahrscheinlich als „Offsite meeting“ einzustufendes Treffen, zu dem die frischgebackene EZB-Präsidentin Christine Lagarde die 25 Ratsmitglieder der Zentralbank bereits in der vergangenen Woche nach Kronberg im Taunus eingeladen hatte. Möglicherweise als Folge der dort entstandenen Diskussionen meldete sich gestern EZB-Ratsmitglied Robert Holzmann zu Wort. Der seit September sich im Amt befindende neue Präsident der Österreichischen Nationalbank wies nämlich darauf hin, dass die EZB-Entscheider in den kommenden Monaten alle geldpolitischen Ziele auf den Prüfstand stellen würden.
Dabei dürfte weniger interessant sein, dass sich Holzmann für eine Senkung des Inflationsziels und bekanntermaßen gegen negative Zinsen aussprach. Viel wichtiger scheint mir zu sein, dass die Art der Entscheidungsprozesse innerhalb des EZB-Rates offenbar verändert werden soll. Holzmann wird von Reuters zumindest dahingehend zitiert – und die Nachrichtenagentur beruft sich dabei zudem auf verlässliche Quellen –, dass in Zukunft geldpolitische Entscheidungen nicht mehr mit einfacher Mehrheit, sondern als Konsensentscheidungen gefällt werden sollen. Man darf gespannt sein, wie Christine Lagarde vor allem in Krisenzeiten die Falken und Tauben im EZB-Rat unter einen Hut bringen wird. Mit anderen Worten: Zusätzliche geldpolitische Lockerungen zu denen, die bereits bestehen, dürften künftig nur mit größten Schwierigkeiten beschlossen werden.
Diese nicht gerade als taubenhaft zu bezeichnende Perspektive hat dem Euro allerdings auch gestern nicht geholfen. Wieder einmal gab es ein marginal niedrigeres Tagestief, begleitet von einer Handelsbandbreite von rund 30 Punkten. Auch wenn die Gemeinschaftswährung unter Druck bleibt, dürfte gute Nachfrage bis 1,0950 ein stärkeres Abgleiten verhindern. Der Stabilitätspunkt liegt nun bei 1,1080.
Hinweis
Alle genannten Preisniveaus verlieren ab einer bestimmten Durchstoßgröße ihre Gültigkeit. Diese beträgt für EUR/USD 10 Stellen.