Dollar am Morgen Märkte

Ist es auch Müll, so hat es dennoch Einfluss

am
1. April 2020

EUR USD (1,1025)             Wenn es um ökonomische Daten geht, erwarten die Akteure an den Finanzmärkten derzeit nichts Gutes. Umso überraschender muss es gestern für die Händler gewesen sein, als Chinas staatliche Statistikbehörde frühmorgens die Zahlen zu den Einkaufsmanagerindices für März publizierte. Diese lagen nämlich sowohl für das verarbeitende Gewerbe als auch für die Dienstleister mit Indexwerten von 52,0 bzw. 52,3 sogar wieder über der 50er Schwelle, die ja bekanntlich als Trennlinie zwischen Rezession und Expansion gilt. Auch befanden sich die Werte weit entfernt von den mittleren Schätzungen der Ökonomen.

 

Als ob nichts passiert wäre

Auf den ersten Blick könnte man nach den infolge der Corona-Epidemie im Februar miserabel ausgefallenen Zahlen von einer V-förmigen Erholung[1] der chinesischen Wirtschaft ausgehen. Aber selbst, wenn diese Daten – deren Echtheit immer wieder angezweifelt wird – tatsächlich der Realität entsprechen sollten, stellen sie doch nichts anderes als die Antwort der Einkaufsmanager auf die Frage dar, ob das ökonomische Umfeld besser, schlechter oder gleichbleibend sein werde. Und da sich die Corona-Krise in China zuletzt sichtlich entspannt hat, wäre alles andere als eine unter dem Strich optimistische Einstellung der Einkaufsmanager eher bedenklich gewesen. Aber vielleicht ist die positive Stimmung tatsächlich angebracht und wird womöglich durch weitere Fundamentaldaten im April bestätigt.

Noch schlechter als schlecht

Was den Corona-Zeitstrahl angeht, befindet man sich hinsichtlich der Entwicklung der Infektionen und Todesfälle hierzulande, aber insbesondere in den USA noch weit hinter China. Dieser Umstand hat sich auch noch einmal auf die jüngsten Wachstumsprognosen der Ökonomen für die USA ausgewirkt. So korrigierte etwa der Chefvolkswirt von Goldman Sachs, Jan Hatzius, seine Kontraktions-Prognose zum US-Bruttoinlandsprodukt für das zweite Quartal dramatisch von -24 auf -34 Prozent (annualisiert) nach unten.

 

Anker im Datenmüll

Wie schwierig (man könnte auch sinnlos sagen) derzeit ökonomische Prognosen sind, zeigt sich etwa an der Bandbreite der Vorhersagen für den US-Arbeitsmarktbericht, der am kommenden Freitag für den Monat März publiziert wird. Hinsichtlich der Prognosen für die Nonfarm-Payrolls wird im Durchschnitt von einem Rückgang der neu geschaffenen Stellen in Höhe von 252 Tsd. ausgegangen. Die Bandbreite der Prognosen, die während der vergangenen Tage wohl in einigen Fällen auch nicht mehr revidiert wurden, reicht dabei von der Erwartung eines extrem optimistischen Stellenplus von 100 Tsd. bis zu einem Minus von 4 Millionen Stellen! Kurzum: Man könnte auch von Datenmüll sprechen. Ist es auch Müll, so kann es trotzdem durchaus einen psychologischen Effekt haben: Die Erwartungsbandbreite ist so groß, dass es aufgrund des Ankereffektes kaum mehr zu Überraschungen kommen kann.

 

Im Laufe des gestrigen Tages war der Dollar jedoch wieder nachgefragt und sorgte auch dafür, dass der Euro zumindest vorübergehend deutlicher unter Druck geriet (1,0925). Die Gemeinschaftswährung bleibt auch nach diesem Rücksetzer oberhalb von 1,0890 in stabilem Fahrwasser – ein neuer Trend ist allerdings bislang nicht entstanden.

 

Hinweis

Alle genannten Preisniveaus verlieren ab einer bestimmten Durchstoßgröße ihre Gültigkeit. Diese beträgt für EUR/USD 5 Stellen.

[1] V-förmig, weil die grafische Darstellung der Einkaufsmanagerindices von Januar bis März einem V ähnelt

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Joachim Goldberg
Frankfurt am Main

Seit rund 40 Jahren beschäftigt sich Joachim Goldberg mit dem Zusammenspiel von Menschen und Märkten. Bis heute faszinieren ihn die vielen Facetten, Nuancen, Geschichten, Analysen und Hintergründe, die sich in der weißgezackten Linie auf der großen Börsenkurstafel niederschlagen. Aber erst mit der Entdeckung der psychologischen Einflüsse auf die Finanzmärkte meint der studierte Bankfachwirt und frühere Devisenhändler dem, was die Welt der Finanzen antreibt und bewegt, nahe gekommen zu sein.

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