Dollar am Morgen Märkte

„In my great and unmatched wisdom“

am
8. Oktober 2019

EUR USD (1,0975)             Nun ist es also offiziell: Die Handelsgespräche zwischen den USA und China werden am Donnerstag fortgesetzt. So zumindest sieht es ein Memo des Weißen Hauses vor, das gestern publiziert wurde. Aller Voraussicht nach werden sich der chinesische Vizepremier Liu He auf der einen und auf der anderen Seite der US-Handelsbeauftragte Robert Lighthizer und Finanzminister Steven Mnuchin in Washington treffen. Wobei die Dauer der Begegnung offen bliebt. Verhandlungen, die einen schwierigen Verlauf nehmen werden. Denn von chinesischer Seite, so klang es zuletzt durch, geht man offensichtlich nicht von einem groß angelegten Deal aus.

 

Nur ein reduziertes Angebot

So soll etwa der chinesische Vizepremier Liu He vor hochrangigen Besuchern einem Medienbericht zufolge erklärt haben, sein Angebot, das er nach Washington mitbringen werde, lasse bestimmte Bestandteile vermissen: Zum Beispiel das Versprechen, die chinesische Industrie- und Subventionspolitik zu reformieren, was die USA schon seit längerem einfordert. Damit würde bereits vor Gesprächsbeginn eines der wichtigsten Anliegen der Trump Administration von den Verhandlungen ausgenommen werden.

Wenn es also bei den Handelsgesprächen überhaupt zu Fortschritten kommen soll, wäre bestenfalls ein mehrstufiger Verhandlungsprozess denkbar, bei dem man sich mit gegenseitigen Zugeständnissen Schritt für Schritt näher kommen könnte. Weil aber US-Präsident Donald Trump einen großangelegten Deal gegenüber einem Teilvertrag bevorzugt, müssten Lighthizer und Mnuchin schon substanzielle Verhandlungserfolge zeitigen, um ihn zu überzeugen. Substanziell in dem Sinne, dass sich die chinesische Seite doch noch zu einem Commitment hinsichtlich ihrer vorgenannten Industriepolitik bewegen lassen würde. Aber genau dies soll nun von chinesischer Seite nicht in die Verhandlungen eingebracht werden.

 

Präsidiale Selbstherrlichkeit

Aber selbst, wenn man sich bei den Verhandlungen Zug um Zug näher käme, stünde auf US-Seite am Ende immer noch ein Präsident, der einen solchen Prozess ohne jede Vorwarnung torpedieren könnte. Und wie schnell das geht, zeigt etwa die jüngste Entscheidung von Donald Trump, die in Nordsyrien stationierten US-Truppen abzuziehen. Und weil er damit dem türkischen Staatschef de facto grünes Licht gab, womöglich in Syrien einzumarschieren, regte sich selbst unter Trump nahestehenden Parteifreunden massiver Widerstand. Wie etwa beim republikanischen Senator und Leiter des Rechtsausschusses im Senat, Lindsey Graham, den die Entscheidung vom Sonntag völlig überrascht haben musste.

Und weil Trump offenbar unerwartet mit größerem Widerstand aus den eigenen Reihen rechnen muss, gab es neben Warnungen des Außen- und des Verteidigungsministeriums auch noch eine massive Tweet-Drohung in Richtung Türkei. Sollte die Türkei irgendetwas [in Syrien] unternehmen, was er [Trump] in seiner „großen und unvergleichlichen Weisheit“ („in my great and unmatched wisdom“) für inakzeptabel halte, würde er die Wirtschaft der Türkei zerstören und auslöschen – ein Sprachduktus, der an die Verlautbarungen von Päpsten und (anderen) absolutistischen Regenten erinnert.

Daher dürfte sich die chinesische Delegation nicht ganz zu Unrecht fragen, ob sie sich angesichts eines derart sprunghaften US-Präsidenten überhaupt auf eine Reihe von aufeinander aufbauenden Teilverträgen einlassen soll, wenn deren Abbruch jederzeit stattfinden kann. Die Finanzmärkte scheinen diese Unwägbarkeiten gestern jedoch nicht beeindruckt zu haben. Und schon gar nicht den Euro, der die europäische Handelssitzung mit dem fünften Tagesgewinn hintereinander beschloss. Allerdings werden dessen Korrekturen im kurzfristigen Abwärtstrend (zwischen 1,1040/45 und 1,0845) immer kurzatmiger, zumal das wichtige Niveau um 1,1005 noch nicht einmal ansatzweise in Angriff genommen wurde.

 

 

Hinweis

Alle genannten Preisniveaus verlieren ab einer bestimmten Durchstoßgröße ihre Gültigkeit. Diese beträgt für EUR/USD 10 Stellen.

 

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Joachim Goldberg
Frankfurt am Main

Seit rund 40 Jahren beschäftigt sich Joachim Goldberg mit dem Zusammenspiel von Menschen und Märkten. Bis heute faszinieren ihn die vielen Facetten, Nuancen, Geschichten, Analysen und Hintergründe, die sich in der weißgezackten Linie auf der großen Börsenkurstafel niederschlagen. Aber erst mit der Entdeckung der psychologischen Einflüsse auf die Finanzmärkte meint der studierte Bankfachwirt und frühere Devisenhändler dem, was die Welt der Finanzen antreibt und bewegt, nahe gekommen zu sein.

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