Dollar am Morgen Märkte

Handelskrieg als Normalzustand

am
16. Oktober 2019

EUR USD (1,1025)             Es sind momentan nicht die Devisenkurse, die – abgesehen vom britischen Pfund – besonders stark auf Neuigkeiten im US-chinesischen Handelskonflikt oder bei den Brexit-Verhandlungen reagieren. Optimismus machte sich gestern vor allen Dingen an den Aktienmärkten breit, nachdem durch Medienberichte bekannt wurde, dass Vertreter der EU und des Vereinigten Königreichs dem Entwurf zu einem Vertragstext des Brexit Abkommens einen guten Schritt näher gekommen seien. Allein: Jeder noch so schön geartete Vertragstext muss vom britischen Unterhaus abgesegnet werden, und dort sind die konservativen Torys auf die Zustimmung der nordirischen DUP angewiesen. Und diese ließen gestern bereits durchblicken, dass ein Deal mit weiteren Konzessionen gegenüber der EU keine Chance auf Zustimmung hätte.

 

Gesenkte Wachstumsprognose

Aber der gestrige Handelstag bestand nicht nur aus optimistischen Meldungen. So nahm etwa der Internationale Währungsfonds (IWF) seine halbjährlich erscheinende Prognose für das globale Wachstum auf 3,0 Prozent für das laufende Jahr zurück – die Vorhersage lag vor sechs Monaten noch um 0,3 Prozentpunkte höher. Gleichzeitig handelte es sich um die niedrigste Wachstumsrate seit der globalen Rezession im Jahr 2009. Für die Eurozone erwartet der IWF nur noch ein Wachstum von 1,2 Prozent für dieses Jahr und für 2020 von 1,4 Prozent. Hauptursache für die pessimistischen Wachstumsvorhersagen: die gestiegenen Strafzölle. Und tatsächlich sähe es noch dramatischer aus, wenn die Zentralbanken weltweit nicht mit geldpolitischen Lockerungsmaßnahmen reagiert hätten, so der IWF-Bericht.

 

„the new normal“

Mit anderen Worten: Ohne den US-chinesischen Handelskonflikt sähe alles besser aus. Allerdings sehen 43 Prozent der von BofA Merrill Lynch im Oktober befragten Fondsmanager den Handelskrieg als Maßstab für eine neue Normalität an. Weil er nicht gelöst werden wird. Etwa 30 Prozent der Befragten gehen davon aus, dass immerhin noch vor den Präsidentschaftswahlen in gut einem Jahr ein Deal erreicht werden kann. Und so erstaunt es auch nicht, dass ein Ende des Handelskriegs in den kommenden sechs Monaten von über 70 Prozent der zwischen dem 4. und 10. Oktober befragten Fondsmanager als wichtigster Treiber für bullishe Aktienmärkte genannt wurde. An zweiter Stelle – wenngleich mit sehr großem Abstand – würde übrigens ein fiskalpolitischer Stimulus in Deutschland ebenfalls als ausgesprochen positives Signal gesehen. Allein: Wirtschaftsminister Altmaier machte gestern erst wieder deutlich, dass Deutschland kein derartiges Programm benötige. Wahrscheinlich wartet die Regierung hierzulande erst auf einen stichhaltigen Beweis, dass sich die hiesige Wirtschaft tatsächlich in einem Schlamassel befindet. Und bis der vorliegt, könnte es bereits zu spät sein.

Und so war es kein Wunder, dass der Euro gestern bis zum Nachmittag unter Druck geriet, dann aber an unserem ersten wichtigen Nachfrageniveau aufgefangen wurde. Die anschließende Erholung war allerdings kurzlebig und beließ den Euro zum Handelsschluss auf dem Niveau von gestern früh. Damit bleibt die Gemeinschaftswährung (mit Potenzial bis 1,1085/90, darüber auch höher) stabil, darf aber in diesem Zusammenhang 1,0970/75 nicht verletzen.

 

Hinweis

Alle genannten Preisniveaus verlieren ab einer bestimmten Durchstoßgröße ihre Gültigkeit. Diese beträgt für EUR/USD 10 Stellen.

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Joachim Goldberg
Frankfurt am Main

Seit rund 40 Jahren beschäftigt sich Joachim Goldberg mit dem Zusammenspiel von Menschen und Märkten. Bis heute faszinieren ihn die vielen Facetten, Nuancen, Geschichten, Analysen und Hintergründe, die sich in der weißgezackten Linie auf der großen Börsenkurstafel niederschlagen. Aber erst mit der Entdeckung der psychologischen Einflüsse auf die Finanzmärkte meint der studierte Bankfachwirt und frühere Devisenhändler dem, was die Welt der Finanzen antreibt und bewegt, nahe gekommen zu sein.

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